Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
Verlag: Luchterhand Literaturverlag; Auflage: Originalausgabe (9. November 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3630874789
ISBN-13: 978-3630874784
D: 21,99 Euro
Inhalt:
Nach dem Erscheinen seines zweiten Kindertagebuchs „Die Berlinreise“ wurde Hanns-Josef Ortheil häufig gefragt, wie er als Zwölfjähriger ein derart beeindruckendes Buch schreiben konnte. Dieser Frage ist er jetzt in dem Band „Der Stift und das Papier“ nachgegangen. Schritt für Schritt wird erzählt, wie er, begleitet und angeleitet von Vater und Mutter, sich das Schreiben beibrachte. Er beschreibt, wie er übte und wie diese Übungen langsam übergingen in kleine Schreibprojekte, die er sich selber ausdachte und verfolgte. Es ist die bewegende Geschichte eines Jungen, der lange Zeit nicht sprach und der einen eigenen Weg zum Sprechen und Schreiben suchen musste. Und es ist bei allen Widerständen, die sich in den Weg stellten, die Geschichte eines Wunderkinds, das früh ein Gefühl für das Erzählen besaß und das über eine Gabe verfügte, die alle anderen überstrahlte: beobachten zu können und das Beobachtete traumwandlerisch in die richtigen Worte zu fassen.
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Der Autor:
Hanns-Josef Ortheil wurde 1951 in Köln geboren. Er ist Schriftsteller, Pianist und Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Seit vielen Jahren gehört er zu den beliebtesten und meist gelesenen deutschen Autoren der Gegenwart. Sein Werk wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Thomas-Mann-Preis, dem Nicolas-Born-Preis, dem Stefan-Andres-Preis und zuletzt dem Hannelore-Greve-Literaturpreis. Seine Romane wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt.
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Rezension:
Vorsicht beim Lesen dieses Buches, es verleitet dazu, selbst den Stift in die Hand zu nehmen und die eigenen Gedanken zu Papier zu bringen.
Ich habe das Lesen bis zur letzten Seite genossen. Wortgewaltig, bildhaft und doch im Tenor eines kleinen Jungen, der sich entwickelt und die Welt des Schreibens entdeckt. Es war mir ein Vergnügen.
Anfangs dient Hanns-Josef das Schreiben nur dazu, die Worte im Kopf zu behalten, ihre Bedeutung nicht zu vergessen. Die Worte lassen sich nicht greifen und scheinen immer wieder Reißaus zu nehmen. Wiederholungen helfen ihm, diese zu verankern, festzuhalten.
Wie wichtig Sprache für das Sozialverhalten sein kann, erleben wir in dieser Lebensgeschichte. In Gesellschaft einer Mutter, die viele Jahre lang kein Wort sprach und sich durch viele kleine Zettel durch den Tag hangelte, lebte Hanns-Josef in einer sehr stillen Welt. Die Bedeutung der Worte erschloss sich ihm nicht. Dafür entwickelte sich seine Fantasie. Aufmerksam nahm er die Welt um sich herum wahr. In späteren Jahren, beschäftigen sich Vater und Mutter sehr intensiv mit ihrem Sohn. Der Junge erhält Einblicke in die Welt der Kunst, Musik und Literatur.
Hanns-Josef beginnt mit kleinen Fingerübungen und der Stifthaltung. Es folgen kurze Schreibübungen und Nacherzählungen. Die Vielfalt der elterlichen Einflüsse und ein großes Talent, sein feines Gespür für Töne und Wortnuancen verbinden sich zu einem großen Ganzen.
Der Autor nimmt uns mit auf eine sehr bewegende und feinfühlige Reise durch seine Kindheit. Fast wie nebenbei erhalten wir einen Einblick in die Lebensgeschichte seiner Familie und erfahren auch den Grund für das jahrelange Schweigen seiner Mutter. Hanns-Josef Ortheil versteht es meisterlich mit Worten umzugehen und zeigt uns die Bandbreite der deutschen Sprache. In manchen Passagen empfand ich ein Gefühl, das dem des Nachhausekommens sehr ähnlich ist. Er verwendet Worte, die ich schon sehr lange nicht mehr in dieser geballten Form lesen durfte. Nicht im Sinne von altmodisch, nein, im Sinne von abwechslungsreich, anspruchsvoll und lebendig.
Dieses Buch ist eine wunderbare Reflexion, wie sich Sprache entwickelt, wie ein Autor durch Fingerübungen und Ausprobieren seine eigene Welt des Schreibens entdeckt. Talent ist nur ein Part, um einen guten Text vorlegen zu können. Es bedarf auch eines gewissen Maßes an Ehrgeiz, Rückgrat, Mut neue Wege zu beschreiten und Übung.
Hanns-Josef jongliert mit den Worten. Viele Beispieltexte und kleine Geschichten verführen uns Leser förmlich dazu, die Gedanken schweifen zu lassen und selbst etwas nieder zuschreiben. Er gibt eine Menge Anregungen, die es verdienen, in einer ruhigen Minute ausprobiert zu werden.
Interessant und geprägt von einer abwechslungsreichen Sprache verleitet uns der Autor, selbst den Stift in die Hand zu nehmen.