Rezension “Der Fotograf von Auschwitz – Das Leben des Wilhelm Brasse” von Reiner Engelmann – cbj Verlag

Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
Verlag: cbj (12. Januar 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3570159191
ISBN-13: 978-3570159194
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 13 Jahren
D: 14,99 Euro


Inhalt:

Als Wilhelm Brasse (1917-2012) mit 22 Jahren in das Stammlager Auschwitz eingeliefert wird, ahnt er nicht, dass er als gelernter Fotograf zum Dokumentarist des Grauens wird. Seine Aufgabe ist es, die KZ-Insassen zu fotografieren. Menschen, die kurze Zeit später in den Gaskammern umgebracht werden. Menschen, die von Josef Mengele zu »medizinischen Forschungsarbeiten« missbraucht werden und denen die Todesangst ins Gesicht geschrieben steht. Hätte er die Arbeit verweigert, wäre das sein eigenes Todesurteil gewesen. Als Brasse 1945 alle Fotos verbrennen soll, widersetzt er sich, um Zeugnis zu geben von dem unfassbaren Grauen. Reiner Engelmann hat Wilhelm Brasse noch kennengelernt und schreibt sein Leben für Jugendliche auf. Ein erschütterndes Dokument – wider das Vergessen.

Mit Originalfotos aus dem Museum Auschwitz.

Quelle: Amazon

Der Autor:

Reiner Engelmann wurde 1952 in Völkenroth geboren. Nach dem Studium der Sozialpädagogik war er im Schuldienst tätig, wo er sich besonders in den Bereichen der Leseförderung, der Gewaltprävention und der Kinder- und Menschenrechtsbildung starkmachte. Zudem veröffentlichte er Bücher, vorwiegend zu sozialen Brennpunktthemen. Für Schulklassen und Erwachsene organisiert Reiner Engelmann regelmäßig Studienfahrten nach Auschwitz.

Quelle: Amazon

Rezension:

Für dieses Buch eine Rezension mit den richtigen Worten zu finden ist gar nicht so einfach, zu tief gehen die emotionalen Eindrücke. Reichen einige wenige Sätze, um dem Inhalt gerecht zu werden?
Wahrscheinlich nicht, doch ich werde es versuchen. Jedoch bleibt vorab schon zu sagen, jeder sollte dieses Buch selbst lesen und die hervorgerufenen Bilder auf sich wirken lassen.
Reiner Engelmann versteht es, Wilhelm Brasse und all die Menschen, denen er in diesen harten Jahren begegnet ist, noch einmal zum Leben zu erwecken. Mit schlichten Worten, ohne direkte Verdammnis einzelner Personen gelingt ihm, ein authentisches Bild im Kopf der Leser entstehen zu lassen.
Es grenzt fast an ein Wunder, dass Wilhelm Brasse so viele Jahre in Auschwitz überlebte. Wenn man bedenkt, wie viele glückliche Fügungen notwendig waren, um sein Überleben möglich zu machen. Dabei zeigte er einen starken Willen, stand zu seiner Überzeugung und beschritt den einmal gewählten Weg mit einer ungeheuer großen Portion Mut. Es gab mehrere Situationen, in denen er dem Konzentrationslager hätte entrinnen können, doch wählte er nicht den einfachen Weg. Trotz aller Entbehrungen und Greul, die Wilhelm Brasse erleben und beobachten musste, behielt seine Menschlichkeit. Im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten tat er sein Bestes, um anderen zu helfen oder ihnen wenigstens einige wenige Erleichterungen zu verschaffen.
Beherzt rettet er kurz vor der Auflösung des Lagers entgegen aller Befehle einen Großteil des gesammelten Bildmaterials.
Seine erhalten gebliebenen Fotos und Erinnerungen, legen Zeugnis davon ab, was hinter dem Stacheldrahtzaun wirklich geschah. Fotos, wie das von Czeslawa Kwoka, sind vielleicht das letzte und einzige Foto von Menschen, deren Leben nur wenige Stunden oder Tage später mitleidlos ausgelöscht wurde. Doch seine Bilder sind auch ein Gedenken und stehen für all diejenigen gesichtslosen Menschen, die dem Naziregime zum Opfer fielen. 
Wilhelm Brasse hat die vielen Jahre seiner Gefangenschaft nur mit einer großen Portion Glück überlebt und doch sprach er lange Zeit mit keinem Menschen über diese Zeit. Nicht, dass er es nicht konnte, nein, er nahm Rücksicht auf die Gefühle der anderen und wollte ihnen die Last des Wissens nicht aufbürden. 
Erst seinem Sohn gegenüber öffnete er sich und später auch der breiten Öffentlichkeit. Doch er stellte dabei nicht sich selbst in den Vordergrund, sondern machte es sich zur Aufgabe, für alle anderen zu sprechen. Die Geschichten derer zu erzählen, deren Gesichter er auf so intensive Weise auf seinen Fotos verewigt hat. Wilhelm Brasse war für mich ein beeindruckender Mensch, der trotz widriger Umstände und  Mittel Fotos mit einer emotionalen Tiefe geschaffen hat, die den Betrachter einfach berühren müssen. Er bewies Mut und blieb sich selbst treu – trotz aller drohender Gefahren. Er bewahrte sich seine Menschlichkeit in einer extremen Ausnahmesituation, deren Verlauf und Dauer er selbst nicht bestimmen konnte.
Die Jahre in Auschwitz hinterließen in ihm vor allem tiefe seelische Wunden. So konnte er nach Kriegsende seiner Begabung nicht mehr folgen und musste die Fotografie aufgeben. Zu stark waren die Erinnerungen, die ihn verfolgten.
Dennoch vergrub er sich nicht in Verbitterung und brachte es sogar fertig, Vergebung zu üben.
Dies zeigt seine Zeugenaussage für die Verteidigung im Prozess gegen Bernhard Walter.
Seine Fotos aus Auschwitz verbleiben als ein wichtiges Vermächtnis. Sie sind vielleicht der letzte Lebensbeweis, dass diese Männer, Frauen und Kinder wirklich existierten. Ohne ihn blieben viele Opfer gesichtslose Namen auf einem Stück Papier.
Reiner Engelmann hat nach einer fundierten Recherchearbeit das Leben von Wilhelm Brasse und dessen Persönlichkeit in klaren, sensibel gewählten Worten beschrieben. Dabei verliert er sich nicht in ausschweifenden Beschreibungen, sondern hält sich eher zurück. Eben diese Art, sich dem Thema anzunehmen bewirkt einen Tiefgang und eine Nachhaltigkeit, die noch lange nach dem Lesen der letzten Worte anhält. Die so hervorgerufenen Emotionen hallen innerlich noch sehr lange nach.

Fazit:

Ein authentisches, schnörkelloses und unverzichtbares Werk auf dem Weg gegen das Vergessen.
Kimmy vergibt 5 von 5 Käseecken
Dieser Beitrag wurde unter Rezensionen abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Rezension “Der Fotograf von Auschwitz – Das Leben des Wilhelm Brasse” von Reiner Engelmann – cbj Verlag

  1. Anonym sagt:

    Einerseits magst du Recht haben, dass es schwer ist, Worte für dieses Buch zu finden. Andererseits beweist du dir selbst, dass es geht und dass nicht nur Worte zu diesem außerordentlich gut recherchierten Werk gefunden werden können, sondern auch noch Namen in Erinnerung bleiben, die nicht vergessen werden dürfen.Czeslawa Kwoka ist in meinem Schreiben eine wichtige junge Frau, deren Andenken heute gar in Sachbüchern mit Füßen getreten wird:https://astrolibrium.wordpress.com/2014/10/29/czeslawa-kwoka-ein-aufruf-gegen-das-vergessen/Umso wichtiger ist die Leistung von Reiner Engelmann, sich auf die journalistische Seite zu schlagen und kein Märchenbuch zu schreiben. Und es ist das Verdienst deines Blogs, dass dieses Thema konstant hochgehalten wird.Ich erlaube mir, deinen Artikel mit meiner Betrachtung zum Buch direkt zu verlinken. Dann geben sie sich über den Büchern die Hand "Gegen das Vergessen"…https://astrolibrium.wordpress.com/2014/12/19/der-fotograf-von-auschwitz-von-reiner-engelmann/Liebe Grüße aus der kleinen literarischen Sternwarte,Arndt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert