Rezension „Marlenes Geheimnis“ von Brigitte Riebe – Diana Verlag

Gebundene Ausgabe: 432 Seiten
Verlag: Diana Verlag (11. September 2017)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3453292057
ISBN-13: 978-3453292055
D: 19,99 Euro

Inhalt:

Drei Frauen, drei Generationen und ein Geflecht aus Lügen
Marlene hat die Vertreibung aus der Heimat nach dem Krieg längst hinter sich gelassen. Vor mehr als siebzig Jahren begann sie mit ihrer Mutter Eva am Bodensee ein neues Leben. Eine florierende Schnapsbrennerei, die die Früchte der Region verarbeitet, ist ihr ganzer Stolz. Erst als ihre Nichte Nane kurz nach Evas Beerdigung die Aufzeichnungen der Großmutter liest, bricht die Vergangenheit ohne Vorwarnung herein. Und ein lang gehütetes Geheimnis kommt zutage …

Bestsellerautorin Brigitte Riebe ist zurück – mit einem bewegenden Roman über ein deutsches Familienschicksal

Quelle: Amazon

Die Autorin:

Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Sie hat mit großem Erfolg zahlreiche historische Romane veröffentlicht, in denen sie die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte wieder lebendig werden lässt. Mit „Marlenes Geheimnis“ widmet sie sich nun der Kriegs-und Nachkriegszeit um 1945. Auch Riebes Familie mütterlicherseits stammt aus Nordböhmen, wo sie wie viele Sudetendeutsche nach dem Ende des Dritten Reichs das Schicksal von Vertreibung und Flucht erlitt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.

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Rezension:

Ich mag besondere Frauen, deren Schicksale, geschichtliche Hintergründe und ja Geheimnisse, haben wahrlich eine Sogwirkung auf mich. Dieses Buch vereint einfach alles, was mein Leserherz braucht und die Frauen in „Marlenes Geheimnis“ wurden zu guten Freundinnen. Es war fast so, als gehörten sie zur eigenen Familie. 
Eine wundervolle emotional tief berührende Familiengeschichte, in der ich mit den einzelnen Figuren so intensiv verbunden war, als würde ich sie persönlich kennen.
Man könnte auf den ersten Blick annehmen, einen unterhaltsamen Familienroman vor sich zu haben. Jedoch wird mit jeder gelesenen Seite deutlicher, welchen Tiefgang dieses Buch in sich trägt. Brigitte Riebe ist für mich mittlerweile ein Garant für facettenreiche ehrliche Charaktere, die nachhaltig berühren. Ihre Protagonisten sind keine geschliffenen Diamanten. Sie haben Ecken und Kanten, sind natürlich und authentisch. Es fällt leicht, sich mit ihren Figuren zu identifizieren. Gerade in „Marlenes Geheimnis“ entstand für mich eine starke innere Verbundenheit. Am Ende fiel es schwer loszulassen, wo wir doch gerade gemeinsam so viel Leid, Hoffnung und Liebe durchlebt hatten. 
Zwei Erzählstränge verlaufen parallel, Vergangenheit und Gegenwart schließen sich am Ende zu einem Kreis des Lebens zusammen. – Drei Generationen, eigentlich sogar vier Generationen von starken Frauen, mit all ihren Geheimnissen, Ängsten und Träumen eng miteinander verbunden auf der Suche nach der Wahrheit. –
Lebendig und mit vielen sprachlichen Bildern hat mich „Marlenes Geheimnis“ noch weit bis über die letzte Seite hinaus gefesselt. So auch gleich zu Beginn das Bild des Grabmals in Form eines Apfelbaumes auf dem Grab des Großvaters. Diese Grabgestaltung ist zwar der Fantasie der Autorin entsprungen, wie ich auf Nachfrage erfahren habe, doch könnte es ihn auch so in Wirklichkeit geben. Ein Symbol, das mich sehr berührt hat. Warum, kann nur derjenige nachempfinden, der dieses Buch gelesen hat.
Wir erleben in Rückblenden durch ihr Tagebuch Evas Leben am Rande des Zweiten Weltkrieges bis in die heutige Zeit hinein. Ihre Heimat war das Sudentenland. Eine Heimat, aus der sie schon bald vertrieben wird. Gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrer besten Freundin Molly und vielen anderen Menschen, wird sie zu einer Vertriebenen, einem Flüchtling. Ihr Leben wird fortan bestimmt von Zufällen, Glück, Freundschaft, Tatkraft und einer großen Portion Mut. Die Schrecken dieser Zeit werden ohne Schönreden deutlich, die erlebte Brutalität und Hoffnungslosigkeit in ihrer Komplexität beschrieben. Und doch ist da immer ein unbändiger Lebenswille. Eva, ihre Mutter und auch Molly haben mich mit ihrer Stärke unheimlich beeindruckt.

Leider liest man sonst viel zu wenig über den Leidensweg der Vertriebenen/Flüchtlinge dieser Zeit. Die einzelnen Zusammenhänge und das Zwischenmenschliche werden oft nur oberflächlich angesprochen. Das harte Leben, die Schicksalsschläge, die sich für die Menschen ergaben, die im Sturm der politischen Maschinerie – ungeachtet ihrer Gesinnung und bisherigen Lebensweise – herumgewirbelt wurden, werden hier sehr emotional wiedergegeben. In „Marlenes Geheimnis“ ist man als Leser ganz nah am Geschehen sowie gefühlsmäßig voll involviert und kann regelrecht spüren, was es bedeutet, nicht nur die Heimat, sondern die eigenen Wurzeln zu verlieren.

Mit Herz und Verstand geht Eva durch das Leben. Sie nimmt Hürden, bei denen andere schier verzweifelt wären und steht so für viele Vertriebene dieser Zeit. Eva wirkt – auf den ersten Blick in Nanes jüngste Erinnerungen an die Großmutter – hart und unerbittlich. Den weichen Kern scheint sie in ihren letzten Lebensjahren verloren zu haben. Doch schaut man genauer hin, ist es ein Schutzmechanismus, den sie um sich errichtet hat, um so weitere Enttäuschungen und Verletzungen zu vermeiden. Nur die enge Verbundenheit zu Marlene blieb unerschütterlich bestehen. Der Grund hierfür findet sich in den Tiefen der Vergangenheit.

Brigitte Riebe hat mich mit „Marlenes Geheimnis“, erschienen im Diana Verlag, tief berührt.
Sie beleuchtet hier eine in den Medien weniger verbreitete Seite der Geschichte. Das im Roman angeführte Dorf Lidice gab es wirklich. Das Schicksal von Lidice und seinen Einwohner war mir bislang nicht bekannt und macht umso mehr betroffen, da wir uns schon wieder sehr nah an diesen Klippen der Geschichte bewegen. Das Dorf mitsamt seinen Einwohnern wurde von den Nazis in einer einzigen Nacht brutal ausgelöscht. Es gab nur wenige Überlebenden dieses Infernos, meist sehr kleine Kinder, die aufgrund ihrer äußeren Merkmale in deutsche Familien gegeben wurden. Diese wuchsen beraubt ihrer Wurzeln mit psychischen Traumata auf. Eine Mahnung an uns, dass es ein Lidice nie mehr geben darf.

Vielleicht auch aus diesem Grund ging mir die Schlussszene von Nane, Marlene und Vicky im Bett sehr nah. Denn hier offenbarte sich die wahre Geschichte hinter Marlenes lebenslangen Alpträumen. Diese geballte Gefühlslawine ließ bei mir die Emotionen gewaltig überschwappen.

„Marlenes Geheimnis“ ist ein ganz besonderer Schatz, der in keinem Buchregal fehlen sollte.


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