Rezension „Stay away from Gretchen: Eine unmögliche Liebe“ von Susanne Abel – dtv Verlag

  • Gebundene Ausgabe : 528 Seiten
  • Herausgeber : dtv Verlagsgesellschaft (18. März 2021)
  • Sprache : Deutsch
  • ISBN-10 : 3423282592
  • ISBN-13 : 978-3423282598
  • D: 20,00 Euro

Inhalt:

Eine große Liebe in dunklen Zeiten

Der bekannte Kölner Nachrichtenmoderator Tom Monderath macht sich Sorgen um seine 84-jährige Mutter Greta, die immer mehr vergisst. Was anfangs ärgerlich für sein scheinbar so perfektes Leben ist, wird unerwartet zu einem Geschenk. Nach und nach erzählt Greta aus ihrem Leben – von ihrer Kindheit in Ostpreußen, der Flucht vor den russischen Soldaten im eisigen Winter, der Sehnsucht nach dem verschollenen Vater und ihren Erfolgen auf dem Schwarzmarkt in Heidelberg. Als Tom jedoch auf das Foto eines kleinen Mädchens mit dunkler Haut stößt, verstummt Greta. Zum ersten Mal beginnt Tom, sich eingehender mit der Vergangenheit seiner Mutter zu befassen. Nicht nur, um endlich ihre Traurigkeit zu verstehen. Es geht auch um sein eigenes Glück.

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Die Autorin:

Susanne Abel stammt aus einem badischen Dorf an der französischen Grenze, arbeitete bereits mit 17 Jahren als Erziehungshelferin und später als Erzieherin. Nach einer Ausbildung zur Puppenspielerin landete sie über den Weg des Theaters beim Fernsehen. Sie schloss ein Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin ab und realisiert seither als Autorin und Regisseurin zahlreiche Dokumentationen fürs Fernsehen. Die Autorin lebt und arbeitet in Köln.

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Rezension:

„Stay away from Gretchen“ hat mich aufgrund der sehr vielschichtigen und zum Teil kaum bekannten Thematik der „Brown Babys“ angesprochen.

Da ist zum einen die Gegenwart. Tom, ganz auf seine Karriere fixiert, empfindet seine Mutter eher als Last, denn als wichtigen Familienpunkt. Ihre Verbindung war immer etwas distanziert. Alles ändert sich, als die Diagnose Demenz im Raum steht.
Greta beginnt, wichtige Teile ihres Lebens zu vergessen und Tom muss sich auf eine größere Nähe zu seiner Mutter einlassen.

Die Krankheit ist schleichend. Greta hat bereits vor einiger Zeit begriffen, dass etwas so gar nicht in Ordnung ist. Doch mit dem Vergessen, geraten längst verdrängte Erinnerungen in den Focus. Tom beginnt zu Recherchieren und sich zu verändern.

Das Leben hielt für Gretchen viele Stolpersteine bereit. Doch sie ist an diesen Herausforderungen nicht zerbrochen, sondern gewachsen. Dabei wurde die weiche und lebenslustige Seite hinter stabilen Mauern begraben. Das Verhältnis zu ihrem Sohn blieb immer unterkühlt. Dabei liebt sie ihn abgöttisch und ist stolz auf seine Erfolge. Tom glaubte immer, seiner Mutter nicht zu genügen. Der Grund, warum Greta ihrem Sohn ihre Liebe nicht in ihrer wahren Größe zeigen konnte, liegt tief vergraben in der Vergangenheit. Es ist so bitter und traurig, stimmt aber auch wütend.

Susanne Abel versteht es brillant, auch das aktuelle Thema Flüchtlinge von heute mit den endlosen Flüchtlingsströmen nach Kriegsende auf eine Stufe zu stellen und die Leser so zum Nachdenken zu animieren.

Mit Beendigung des Krieges war das nationalsozialistische Gedankengut noch lange nicht ausgemerzt. Kriegsheimkehrer waren nicht wiederzuerkennen. Es zeigten sich Charakterzüge, die man nie vermutet hätte. In den Familien hatten sich neue Dynamiken gebildet, die erneut zerfielen. Greta muss dies am eigenen Leib schmerzlich erfahren.

Rassismus findet sich überall. Auch mit Ende des 2. Weltkrieges ist er weiterhin da und zeigt seine dunkle Seite. Verbindungen zwischen deutschen Frauen und den Alliierten waren unerwünscht. Kinder aus diesen Verbindungen wurden geächtet, ebenso die Mütter, wenn die Soldaten ohne sie in ihre Heimat zurückkehrten.

Selbst die US-Army unterschied zwischen schwarz und weiß. Der Skandal war ungleich größer, wenn sich eine Verbindung zwischen einer Deutschen und einem schwarzen GI entwickelte. Diese Verbindungen waren streng untersagt und die sogenannten „Brown Baby“ aus diesen Verbindungen hatten es noch schwerer im Leben. Es ist ein Punkt in unserer Geschichte, der kaum thematisiert wird.
Die Willkür mit der die Behörden mit diesen Müttern und Kindern umgingen, ist erschreckend. Wie machtlos sich viele der jungen Frauen gefühlt haben müssen und wieviel Leid daraus entstanden sein muss, können wir nur erahnen.

In vielen Reportagen werden die Soldaten, die einfach so in ihre Heimat zurückkehrten, neue Familien gründeten und ihr Leben von vorn begannen, verdammt.
Auch hier gibt es zwei Seiten. Sicher waren da die Männer, denen ihre „Mischlingskinder“ egal waren, die sich einfach nur vergnügten. Doch was ist mit denen, die ihrem Marschbefehl Folge leisten mussten, zurück in Amerika keine Möglichkeit bekamen, Kontakt zu halten und wie in diesem Buch, die Liebe ihres Lebens verloren.
Kinder, die ihren Müttern entrissen wurden und nie ihre wahren Wurzeln kennenlernen durften. So viele Schicksale, von denen niemand weiß.

Gretchens und Bobs Geschichte ist mit so vielen historischen Fakten hinterlegt, dass es sich nicht wie eine fiktive Geschichte anfühlt. Lebendig und emotional erleben wir diese Zeit gemeinsam mit ihnen. Es gibt wundervolle Momente und solche, die mir schier das Herz zerreißen wollten.
Vergleiche zum Heute bleiben da nicht aus. Schlimm, dass sich viele Dinge in den Köpfen der Menschen noch immer nicht geändert haben.

Susanne Abel hat dieser Geschichte ein herzerwärmendes Ende bereitet. Es ist ein Ende, das Hoffnung gibt. Auch, weil es das für viele ähnliche Schicksale nicht gab bzw. nie geben wird.

Ich könnte über dieses Buch so viel schreiben und würde dem Inhalt nicht annähernd gerecht werden. „Stay away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe“ ist ein besonderes Buch mit vielen Botschaften. Bitte lest es.

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