Rezension „Mein Ein und Alles“ von Gabriel Tallent – Penguin Verlag

  • Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
  • Verlag: Penguin Verlag (24. September 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • übersetzt von Stephan Kleiner
  • ISBN-10: 3328600280
  • ISBN-13: 978-3328600282
  • Originaltitel: My Absolute Darling
  • D: 24,00 Euro

Inhalt:

»Ein Buch, das man mit angehaltenem Atem verschlingt.« Washington Post

Dieser Roman über ein junges Mädchen hat Amerikas Leserschaft überwältigt und gespalten. Denn Turtle Alveston, so verletzlich wie stark, ist eine der unvergesslichsten Heldinnen der zeitgenössischen Literatur. Sie wächst weltabgeschieden in den nordkalifornischen Wäldern auf, wo sie jede Pflanze und jede Kreatur kennt. Auf tagelangen Streifzügen in der Natur sucht sie Zuflucht vor der besitzergreifenden Liebe ihres charismatischen und schwer gestörten Vaters. Erst als sie ihren Mitschüler Jacob näher kennenlernt und wahre Freundschaft erfährt, beginnt die Befreiung aus seinen Klauen. Gabriel Tallents Debut ist von eindringlicher Wucht und zugleich Zartheit, eine neue Stimme, die niemanden kalt lässt. »Als Leser schlägt einem das Herz bis zum Hals und man hofft nichts inständiger, als dass Turtle durchkommen möge. Intensiv und lebendig.« Marie Claire

Quelle: Amazon

Der Autor:

Gabriel Tallent, geboren 1987 in New Mexico, wuchs in der Nähe von Mendocino mit zwei Müttern in einem sehr liberalen Umfeld auf. Nach seinem Universitätsabschluss 2010 führte er zwei Sommer lang Gruppen mit Jugendlichen durch die Wildnis der Nordpazifischen Küste. Gabriel Tallent lebt heute in Salt Lake City.

Stephan Kleiner, geboren 1975, lebt als literarischer Übersetzer in München. Er übertrug u. a. Geoff Dyer, Michel Houellebecq, Lawrence Osborne und Hanya Yanagihara ins Deutsche.

Quelle: Amazon

Rezension:

Liebe kann etwas Wundervolles, einmalig Schönes sein. Doch manchmal verkehrt sie sich ins Gegenteil und die Folgen nehmen dann ungeahnte und kaum zu erfassende Ausmaße an.

In „Mein Ein und Alles“ geht es um das Thema Kindesmissbrauch und die hieraus erwachsenden Folgen. Turtle wächst unter der Obhut ihres narzisstischen Vaters auf. Dieser versteht unter Vaterliebe etwas grundsätzlich anderes als normale Väter.

Turtle kennt kein anderes Zusammenleben und sucht vorrangig die Fehler bei sich selbst, hält sich für dumm und hässlich. Sie ist nicht glücklich, hasst diesen Menschen sogar aus ganzem Herzen und lechzt gleichzeitig immer wieder nach der Anerkennung ihres Vaters. Einerseits möchte sie diesem Leben entfliehen und doch scheinen ihr viele Dinge, bei denen sich uns die Haare sträuben und wir Gänsehaut bekommen, als normal und selbstverständlich. Aus eben diesen Gründen hängt sie an dem ihr vertrauten Leben und schafft es nicht, sich zu lösen.

Der Autor lässt uns tief in die Gedanken- und Gefühlswelt seiner Protagonistin eintauchen. Das so gezeichnete Bild erschreckt, stößt ab, lässt uns wütend und traurig verweilen. Hilflos müssen wir dem Leid eines jungen Mädchens beiwohnen.

Die Sprache ist eindringlich, hart, vielfach abstoßend und vulgär. Dann aber wieder auch poetisch und verschnörkelt. Dadurch hat sich für mich das Verständnis des in Turtles Gedankenwelt herrschenden Chaos verstärkt. Das geschilderte Umfeld nimmt Realität an. Durch seinen zugegeben etwas gewöhnungsbedürftigen Schreibstil entwickelt der Autor einen Sog, dem sich der Leser nur schwer entziehen kann.

Dieser Roman geht unter die Haut. Hass, Schuldgefühle, Selbstzweifel, Sehnsüchte und der sanfte erste Hauch der Erkenntnis, was Familie und Liebe in Wirklichkeit ausmachen, erleben wir gemeinsam mit Turtle.

Man möchte dieses Mädchen beschützen, sie gleichzeitig schütteln und aus ihrer Lethargie wecken, die sie in Gegenwart des Vaters befällt.

„Mein Ein und Alles“ ist ein gewagtes Debüt und wird die Leser in mehrere Gruppen spalten. Der Autor möchte gezielt schockieren.  Die Szenerie fasziniert und wirkt gleichzeitig beklemmend und abstoßend.

Bis zum finalen Showdown fand ich das Buch grandios umgesetzt. Es war unvermeidlich, dass es zu einer Art Explosion kommen muss, doch hier hat es sich Gabriel Tallent etwas zu einfach gemacht und einen recht einfachen Ausweg gewählt. Der Lichtblick am Ende kommt der Realität schon wieder näher und lässt genügend Spielraum für individuelle Betrachtungen und eine noch ungeschriebene Zukunft.

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