Rezension “Mein Name ist Judith” von Martin Hováth – Penguin Verlag

  • Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
  • Verlag: Penguin Verlag (25. März 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3328600108
  • ISBN-13: 978-3328600107
  • D: 22,00 Euro

Inhalt:

Wenn sich Geschichte wiederholt … ein hellsichtiger und sehr berührender Roman 

Wien in der nahen Zukunft. Seit einem Attentat auf dem Hauptbahnhof ist der Ausnahmezustand zur Regel geworden. Auch die Welt des Autors León Kortner ist aus den Fugen geraten: Bei dem Anschlag sind Frau und Tochter umgekommen, seitdem führt er ein Leben unter Toten. Einsam versucht er einen Roman über die jüdische Familie Klein zu schreiben, die bis zur Flucht vor den Nazis eine Buchhandlung in dem Haus führte, in dem León wohnt. Eines Morgens sitzt ein fremdes Mädchen in einem altmodischen Mantel in seiner Küche. Wer ist diese Judith, die behauptet, dass ihrem Vater der Buchladen gehört? 

Mit großem Feingefühl erzählt Martin Horváth von Verfolgung, Flucht und Exil einer jüdischen Wiener Familie und zieht Parallelen zu unserer Zeit – ein kluger, eindringlicher Roman über die Macht des Erzählens und das Vergessen, Vergessen-Wollen und Nicht-vergessen-Können.

Quelle: Amazon

Der Autor:

Martin Horváth, Jahrgang 1967, studierte an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, wo er als freischaffender Musiker und Autor lebt. Während eines mehrjährigen New-York-Aufenthalts arbeitete er am Leo Baeck Institute über die Geschichte der österreichisch-jüdischen Emigration in die USA. 2012 erschien sein Debüt, »Mohr im Hemd« (DVA), für das er mit der AutorInnenprämie des österreichischen Kulturministeriums ausgezeichnet wurde. »Mein Name ist Judith« ist sein zweiter Roman.

Quelle: Amazon

Rezension:

“Mein Name ist Judith” ist ein literarische Mosaik aus Vergangenheit, Gegenwart und futuristischen Elementen. Martin Horváth ist ein anspruchsvoller, nachdenklicher und sensibel angelegter Roman gelungen. Die Geschichte ist wesentlich komplexer, als vermutet. Es schwingt sehr viel Wehmut in den Texten mit.

Dennoch bin ich mir immer noch nicht sicher, ob ich mit den Ausführungen des Autors mitgehen kann. Ich habe mit Judith gelacht und getrauert, mit León gelitten und neue Hoffnung geschöpft. Ich habe die Vergangenheit durchwandert und einen Blick auf eine mögliche Zukunft geworfen. Aber macht es sich der Autor nicht doch zu einfach?

Viele historische und politisch aktuelle Themen werden zu oberflächlich angeritzt. Mir fehlte an einigen Stellen die erwartete Tiefe. Trotzdem vermittelt Martin Horváth eine eindeutige Botschaft.

Für den Schriftsteller León Kortner ist es eine Spurensuche, die viele Jahre zuvor begann, deren Ziel er aber aus den Augen verlor. Ein Moment im Leben hat für ihn alles verändert. Die, die er liebte, wurden durch den Fanatismus eines Einzelnen aus dem Leben gerissen. Seit dieser Zeit, lebt er gefangen in seiner Trauer und Selbstmitleid. Den Bezug zur Realität scheint er schon länger verloren zu haben. So vermischen sich bei ihm Erinnerungen, Gegenwart und Fantasie zu einem nur schwer zu durchbrechenden Gemisch. Es ist eine Aufarbeitung von Geschichte und seinem eigenen Leid.

Judith führt uns mit ihrem kindlichen Blick die Vergangenheit vor Augen, wohin diese Wege führen können, wie viel Leid daraus entstehend kann. Judiths Familie trägt die Schatten der Vergangenheit noch immer mit sich herum. Sie haben die Schrecken des Krieges überlebt und fern der Heimat ein neues Zuhause gefunden. Doch das Kind, das sie in Sicherheit bringen wollten, verloren. Ihr Andenken verblasst nicht. Judith wird immer ein Teil der Familie Klein sein. Das Glück der Überlebenden wird dennoch immer von Schuldgefühlen getrübt sein.

Hier kommen wie wieder zu den Parallelen im Leben der Familie Klein und León Kleinert. Auch León kann sein Überleben nur schwer ertragen. Die Schuldgefühle fressen ihn auf. “Was wäre wenn…?” ist die eine unerträgliche Frage, die immer im Raum steht.

Am Ende bleiben ihm die Zwiegespräche mit sich selbst, bzw. Judith. Die Aufarbeitung der Geschichte der Familie Klein gibt ihm die Kraft, sich einer eigenen Zukunft zu nähern, wieder Hoffnung zuzulassen.

Hass, Verblendung, Neid, Angst und Machtstreben sind zu jeder Zeit gegenwärtig. Es reicht damals wie auch heute aus, eine Gruppierung oder eine Glaubensrichtung zum Feind zu erklären, hinreichend Fakten auszustreuen, auch wenn sie nur auf vermutliche Gefahren oder Verbrechen hinweisen, um Fanatismus zu schüren. Vor 80 Jahren waren es die Juden, die verfolgt und ermordet wurden. Doch auch heute schreitet der Antisemitismus voran und sucht seine Anhänger.

Das, was uns die Geschichte lehrt, sollten wir befolgen und nicht zulassen, dass sie sich wiederholt.

Dieser Beitrag wurde unter Rezensionen abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert