Gebundene Ausgabe: 425 Seiten
Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: 2 (18. August 2013)
Sprache: Deutsch
übersetzt von: Nicolai von Schweder-Schreiner
ISBN-10: 3518424092
ISBN-13: 978-3518424094
Originaltitel: Barba ensopada de sangue
D: 21,96 Euro
Inhalt:
Sein Vater erschießt sich, und was ihm bleibt, sind der alte Schäferhund und eine vage Sehnsucht nach Läuterung. Er bricht auf in den Süden und mietet sich in einem kleinen Ort an der Küste ein. Er findet Arbeit als Sportlehrer, lernt eine Frau kennen, unternimmt lange Wanderungen mit dem Hund, schwimmt Stunden am Stück ins offene Meer hinaus. Vor allem aber versucht er ein Familiengeheimnis zu ergründen – sein Großvater hatte in der Gegend gelebt, bis er unter ungeklärten Umständen verschwand. Doch ein empfindliches Handicap erschwert ihm die Suche, eine neurologische Erkrankung, er kann Gesichter nicht wiedererkennen. Seine Nachforschungen jedenfalls scheinen die Anwohner aufzuschrecken, Gerüchte machen die Runde, wird er bedroht? Wem kann er trauen, wenn schon nicht sich selbst und seinen Wahrnehmungen? Allmählich begreift er, dass er das gleiche Schicksal wie sein Großvater zu erleiden droht. Und plötzlich steht ihm das Wasser bis zum Hals.
Mit lichter, hypnotisierender Kraft erzählt »Flut« die epische Geschichte einer Suche über drei Generationen, die an die Grenzen des Menschenmöglichen führt.
Der Autor:
Daniel Galera, geboren 1979 in São Paulo, lebt heute in Porto Alegre. Er hat Erzählungen, eine Graphic Novel und drei Romane geschrieben. Sein Werk ist vielfach ausgezeichnet, verfilmt und für das Theater adaptiert worden. Galera hat u. a. Zadie Smith, Jonathan Safran Foer, David Foster Wallace und Hunter S. Thompson übersetzt. Flut ist sein erstes Buch in deutscher Sprache.
Rezension:
Was an diesem Roman als erstes auffällt, ist die Distanziertheit, mit der die Geschehnisse erzählt werden. Fast kühl, kalkuliert und mit viel Abstand beobachten wir unseren namenlosen Erzähler auf seiner Identitätssuche. Nicht alle Gedankengänge wirken realistisch oder nachvollziehbar und machten es noch schwerer, einen Bezug zu ihm und seiner Geschichte aufzubauen. Ich weiß nicht, ob es der mentalen Beschreibung, der Übersetzung oder meinem ureigenen Empfinden geschuldet ist. Unser Protagonist wirkte auf mich alt und ihn rein gedanklich während des Lesens auf Anfang 30 einzuordnen war schwierig.
Andererseits ist da Beta, die Hündin seines Vaters, die er ursprünglich gar nicht wollte. Sie ist die Einzige, mit der er mit der Zeit eine wahre Bindung aufbaut und alles unternimmt, um ihr Überleben zu sichern. Die hier beschriebene Gefühlsentwicklung ist beeindruckend und wird warmherzig in Szene gesetzt.
Letzteres fiel besonders auf, da ich den Schreibstil von Daniel Galera mit einem Schwarz-Weiß-Film vergleichen würde, bei dem man immer wieder versucht, den verborgenen Farbtupfer zu finden. Ich habe diesen auch entdeckt, in der philosophisch bildreichen Beschreibung der Landschaften, Menschen und eben der Beziehung zwischen dem Erzähler und seinem Hund. Diese wirken extrem gegensätzlich zu der sonst eher grau reflektierten Gefühlswelt unseres Protagonisten.
Fällt es ihm so schwer eine Verbindung zu seiner Umwelt zu halten, weil er sich keine Gesichter merken kann, sogar das eigene Spiegelbild nicht wieder erkennt? Dieses Krankheitsbild und die damit verbundenen Einschnitte im Leben eines Menschen haben mich rein vom Klappentext am meisten gereizt, „Flut“ zur Hand zu nehmen. Leider wird dieser Aspekt im Buch nur nebensächlich angesprochen. Die Problematik, damit im Alltag zu überleben, wird nur gestreift und mir fehlte der erwartete Tiefgang. Viele kleinere übertrieben ausgearbeitete Nebenhandlungen erzeugten unnötige Längen. Leider blieben die handelnden Personen für mich ausnahmslos auf Distanz und das Lesen übermittelte mehr ein Gefühl von Arbeit, als Spaß. Das Buch konnte leider nicht halten, was der Klappentext versprach.
„Flut“ hat es mir nicht leicht gemacht und lies mich, trotz einiger Lichtpunkte, am Ende unbefriedigt zurück.