Rezension „Mr. Gwyn“ von Alessandro Baricco – Hoffmann und Campe Verlag


    Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
    Verlag: HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH (27. Februar 2016)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3455405614
    ISBN-13: 978-3455405613
    Originaltitel: Mr. Gwyn
    D: 22,00 Euro




    Inhalt:

    Jasper Gwyn, ein berühmter englischer Schriftsteller Anfang vierzig, fasst eines Tages einen weitreichenden Entschluss. In einem Zeitungsartikel listet er 52 Dinge auf, die er fortan nicht mehr zu tun gedenkt, darunter auch: Bücher schreiben. Stattdessen beschließt er, in seinem neuen Leben als „Kopist“ zu arbeiten und Porträts anzufertigen – dies allerdings nicht mit Pinsel und Palette, sondern in geschriebener Form. Er mietet ein Atelier an, wo ihm fortan Menschen Modell sitzen, die sich später in seinen Porträts gänzlich wiederfinden werden. Bis eine junge Frau auftaucht, die sich den strengen Regeln des Kopisten entzieht.

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    Der Autor:

    ALESSANDRO BARICCO, 1958 in Turin geboren, studierte Philosophie und Musikwissenschaft. Er ist Mitherausgeber verschiedener Literaturzeitschriften und von La Repubblica. 1994 gründete Baricco zusammen mit Freunden die Scuola Holden, eine Privatuniversität, an der er kreatives Schreiben unterrichtet. Neben seinen Romanen hat Baricco zahlreiche Essays, Erzählungen und Theaterstücke verfasst. Sein RomanSeide wurde zum internationalen Bestseller. Er wurde mit dem Premio Campiello, dem Premio Viareggio und dem Prix Médicis Étranger ausgezeichnet. Seide und Novecento wurden erfolgreich verfilmt.

    Quelle: Amazon


    Rezension:

    Dies ist mein erstes Zusammentreffen mit Alessandro Baricco. Es ist nicht immer einfach, neugierig durch die Welt zu laufen, doch in diesem Fall bin ich sehr dankbar für diese Charaktereigenschaft. Ohne sie, hätte ich Alessandro Baricco und Mr. Gwyn nie kennengelernt.

    Dieses Buch nahm mich mit auf eine ganz besondere Lesereise, die nur gelingt, wenn man sich komplett fallen und auf Mr. Gwyn einlässt.

    Wir erleben einen Mann, der am Höhepunkt seiner Kariere als
    Autor beschließt, einen völlig neuen Weg zu beschreiten und vermeintlich alten
    Ballast hinter sich zu lassen. So erstellt Jasper Gwyn eine Liste mit 52 Dingen,
    die er von nun an nicht mehr tun möchte. Stehen am Anfang noch ganz harmlose
    Stichpunkte, arbeitet sich die Liste bis zu dem letzten und einschneidensten
    Punkt vor – nie mehr schreiben. Kann ein eingefleischter Autor wirklich von
    einem Moment auf den anderen aufhören zu schreiben? Diese Frage geisterte
    direkt in meinem Kopf herum. Ich sage „Nein.“ und wirklich Unrecht habe ich
    damit nicht.
    Doch Mr. Gwyn ist davon überzeugt und auch sein Verleger und
    langjähriger Freund kann daran nichts ändern. Nach einer Zeit des Suchens
    findet Gwyn eine neue Lebensaufgabe – er wird Kopist. Nun klingt dieser Beruf
    ein klein wenig kurios und auch die Vorgehensweise der Umsetzung durch unseren
    Protagonisten wird dies sein, jedoch erleben wir ein ganz besonderes
    Lebensgefühl, wenn wir ihm folgen. 
    Er kopiert keine Schreiben oder Bilder, nein
    er erstellt Porträts in Schriftform. Dabei beobachtet er die zu porträtierende
    Person in einem geschlossenen Raum. Gespräche werden dabei fast nie geführt und
    die Person ist bar jeglicher Bekleidung. 
    Erlischt die letzte im Raum brennende Glühbirne, ist die
    Sitzungszeit beendet und der Auftraggeber erhält nach wenigen Tagen sein
    geschriebenes Porträt. Zu gern möchte man nun lesen, was Jasper Gwyn geschrieben hat, in welcher Form diese Porträtierung erfolgte und was genau sich ihm in all
    diesen Tagen über die Person offenbart hat. Bleibt dies ein Geheimnis zwischen
    Alessandro Baricco und Mr. Gwyn?
    Vielleicht…
    In diesem Fall haben Hoffmann & Campe uns Lesern ein
    wundervolles Geschenk bereitet.
    Das Buch ist nach dem Schlusssatz noch nicht zu Ende. Im
    Anschluss an die Hauptgeschichte dürfen wir „Dreimal im Morgengrauen“ genießen. Ob
    es sich hierbei um drei Porträts von im Buch vorkommenden Personen handelt oder einfach
    nur Geschichten, muss jeder für sich selbst herausfinden.
    Es ist erstaunlich zu beobachten, welche Veränderungen in
    den Menschen vor sich gehen, die einem ungewöhnlichen Umfeld ausgesetzt werden und wie man sich selbst als Leser in Raum und Zeit
    verliert. Es erwacht der Wunsch, selbst einmal Modell stehen zu wollen und
    so etwas ganz besonderes über die eigene Persönlichkeit
    zu erfahren.

    Philosophisch, skurril, poetisch und berührend tiefsinnig beginnen wir gemeinsam mit Alessandro Baricco und seinem Mr. Gwyn die Welt aus einem bisher verborgenen Winkel aus zu betrachten. Lasst euch fallen und begebt euch auf eine eigenwillige Lesereise.

    Jeder wird dieses Buch auf eine unterschiedliche Weise empfinden und aufnehmen, doch am Ende werden viele Fäden an einem Punkt zusammenlaufen. 
    Mein erster Baricco – jedoch nicht mein letzter!
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2 Antworten zu Rezension „Mr. Gwyn“ von Alessandro Baricco – Hoffmann und Campe Verlag

  1. Nicht dein letzter Baricco…. ja… das kann man fühlen. Ich helfe dir gerne weiter, da ich sie alle gelesen habe. Du hast dich komplett fallenlassen. Eine tolle Rezension, die Alessandro sehr gerecht wird… Kompliment

  2. Zwiebelchen sagt:

    Dankeschön Arndt für das Kompliment und dafür, dass du mich im Vorfeld so unheimlich neugierig auf Alessandro gemacht hast. Mir wären sonst ein wundervolles Buch und ein großartiger Autor entgangen.

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