Rezension „Brief an meine Schwester“ von Leslie Malton mit Roswitha Quadflieg – Aufbau Verlag

Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
Verlag: Aufbau Verlag; Auflage: 2 (12. Oktober 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3351036205
ISBN-13: 978-3351036201
D: 18,95 Euro

Inhalt:

Das Mädchen mit den sprechenden Augen Die berührende Geschichte zweier Schwestern, von denen eine mit Gesundheit und Erfolg gesegnet ist, die andere eine rätselhafte Behinderung hat. Aufwühlend und emotional erzählt die erfolgreiche Schauspielerin Leslie Malton die Geschichte ihrer Schwester Marion und ihre eigene — die Geschichte einer außergewöhnlichen, selbstlosen Schwesternliebe, die nicht frei ist von den Schatten der Schuld und Gewissensnot. 1957. Ein Amerikaner und eine Wienerin lernen sich kennen, sie verlieben sich und heiraten. In Washington D.C. wird 1958 ihre erste Tochter, Leslie, geboren, elfeinhalb Monate später folgt Marion – fast ein Zwilling. Etwa ein Jahr nach Marions Geburt stockt ihre Entwicklung, sie verlernt, was sie gerade gelernt hat, verliert die Sprache – verliert fast alles. Die Odyssee zwischen Ärzten und diversen Einrichtungen beginnt. Niemand kann dem kleinen Mädchen helfen. Erst 2012 liest Leslie Malton – längst eine berühmte Schauspielerin – einen Zeitungsartikel über das Rett-Syndrom. Plötzlich hat die Behinderung einen Namen. Leslie Malton trifft sich mit Betroffenen und deren Angehörigen, wird Botschafterin der „Elternhilfe für Kinder mit Rett-Syndrom in Deutschland“. In diesem berührenden Buch erzählt Leslie Malton die Geschichte ihrer Schwester und ihre eigene, die Geschichte einer selbstlosen Schwesternliebe, die sich über Krankheit und Kontinente hinwegsetzt.

Quelle: Amazon


Die Autorin und Mitwirkende:


Leslie Malton,

geboren 1958 in Washington D.C., begann ihre Karriere am Theater, vor allem der Wiener Burg, und spielte in zahlreichen Fernseh- und Kinofilmen und Serien mit. Ihren Durchbruch beim deutschen Fernsehpublikum hatte sie 1992 mit dem Mehrteiler „Der große Bellheim“. Sie lebt mit ihrem Mann, dem Schauspieler Felix von Manteuffel, in Berlin.

Roswitha Quadflieg,
1949 in Zürich geboren, Tochter des Schauspielers Will Quadflieg. Kunststudium in Hamburg, bis 2003 Inhaberin der Raamin-Presse. Zahlreiche Romane und Essays. Zuletzt erschien bei Aufbau “Neun Monate. Über das Sterben meiner Mutter“. Sie lebt in Berlin.

Quelle: Amazon

Rezension:

Es gibt immer wieder Bücher, die suchen sich ihre Leser selbst. In der einen Sekunden hat man noch keine Vorstellungen von diesem einen besonderen Buch, in der nächsten Sekunde hat es einen gefangen genommen. So erging es mir mit „Brief an meine Schwester“ von Leslie Malton. Und genau aus diesem Grund habe ich genau das Buch zum Ausklang meines Lesejahres ausgesucht. Es ist keine seichte Lektüre, die für Unterhaltung mal so nebenbei sorgt und doch liest sich die Lebensgeschichte von Leslie und ihrer Schwester Marion federleicht.

Der Buchtitel war mir schon einmal unter die Augen gekommen, doch richtig wahrgenommen habe ich das Buch erst im Oktober auf der Frankfurter Buchmesse. Dort bliebt ich eher zufällig neben einem Podium stehen und stolperte mitten in ein Interview mit der Autorin. So gefühlvoll, wie sie über ihre Familie und besonders ihre Erlebnisse mit ihrer Schwester Marion sprach, hat mich tief berührt.

Wenn wir eine Familie gründen, ist der größte Wunsch überhaupt, dass unsere Kinder gesund zur Welt kommen. Leider ist dem nicht immer so. Doch wie müssen sich Eltern fühlen, deren Kind augenscheinlich gesund geboren wurde, sich über Monate hinweg normal entwickelt und sich dann innerhalb kurzer Zeit alles verändert. Was, wenn man zusehen muss, wie das Erlernte verloren geht und nicht weiß warum. Die größte Frage ist immer das WARUM. Im Fall von Marion kommt noch hinzu, dass die Veränderungen nach einem größeren Infekt eintraten und sich ihre Schwester über viele Jahre hinweg schuldig an der Entwicklung der Dinge fühlte.

Das Leben mit einem behinderten Kind oder Geschwistern ist nicht einfach. Marions Eltern muss man hoch anrechnen, dass sie ihr Kind nie versteckten und Marion voll in ihr Leben integrierten. Unermüdlich suchten sie nach Möglichkeiten der Förderung und Verbesserung der Lebensqualität ihres Kindes. Auch noch im hohen Alter kümmert sich ihre Mutter so gut wie es geht. Natürlich gibt es Schattenseiten und diese verschweigt die Autorin nicht. Sie hebt ihre Eltern nicht auf ein goldenes Podest und gerade dadurch bleibt diese greifbare Nähe und Authentizität erhalten.

Leslie Malton beschreibt in einem ruhigen liebevollen Ton ihr Leben mit Marion. Dabei stand sie, die gesunde Schwester, oft im Schatten. Ihre Erfolge waren fast zu selbstverständlich. Dennoch wohnt ihr eine innige Liebe zu Marion inne. Zwischen den Schwestern existiert eine enge Verbundenheit, wie sie selbst zwischen ganz „normalen“ Geschwistern nicht immer zu finden ist.

In „Brief an meine Schwester“ offenbart Leslie Malton sehr offen und ehrlich ihre Gefühlswelt. Diese umfasst Schmerz, Trauer, Wut, Schuldzuweisungen, Eifersucht, Sehnsucht und eine tiefe Liebe. Sie redet nichts schön, zeigt aber nicht nur die dunklen Seiten, die die Krankheit für alle Beteiligten mit sich brachte. Schonungslos offen gewährt sie uns einen Einblick in ein Leben mit dem Rett Syndrom.

Es war interessant über das noch wenig bekannte Rett Syndrom zu lesen und welch unterschiedlichen Verlauf diese auf einem Gendefekt beruhende Krankheit nehmen kann. Welche Möglichkeiten es gibt und vor allem, was es bedeutet, die Krankheit und deren Ursachen, an denen ein geliebter Mensch leidet, benennen zu können. Wir können erspüren, wie tief es die Autorin berührt, uns an den kleinen Meilensteinen von Marion teilhaben zu lassen.
Ihre Sicht auf das Leben wurde durch ihre Schwester bereits in der Kindheit geprägt. Sie macht aber auch deutlich, dass sie selbst ohne Marion nicht zu dem Menschen geworden wäre, der sie heute ist.

Dies ist ein Buch, dass betroffenen Familien Hoffnung und Hilfe geben kann, aufklärt. Aber auch ein Buch, das uns einmal kurz innehalten und über das Glück in unserem Leben nachdenken lässt. Marion und Leslie zeigen uns, dass gerade die unscheinbaren kleinen Dinge, unseren Alltag bereichern und wichtig sein können.



Kimmy vergibt 5 von 5 Käseecken

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