Interpretation Gedicht „Frühlingsglaube“ von Ludwig Uhland


Frühlingsglaube

Die linden Lüfte sind
erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht
bang! 
Nun muss sich alles, alles
wenden. 
Die Welt wird schöner mit jedem
Tag, 
Man weiß nicht, was noch werden
mag, 
Das Blühen will nicht enden. 
Es blüht das fernste, tiefste
Tal: 
Nun, armes Herz, vergiss der
Qual! 
Nun muss sich alles, alles wenden.
Das vor mir liegende Gedicht „Frühlingsglaube“ lässt
sich auf sehr unterschiedliche Weise interpretieren.
Auf den ersten Blick mutet es wie ein fröhliches, Hoffnung
gebendes Frühlingsgedicht an. Die Natur beginnt sich nach einem dunklen, kalten
Winter neu zu entfalten. Die Luft ist klar und frisch und die ersten
Frühlingsblumen erblühen. Jedoch glaube ich, dass Ludwig Uhland die eben
beschriebenen Naturereignisse nur als „Deckmantel“ für viel wichtigere und
tiefgreifendere Aussagen benutzt.
Der Dichter lebte von 1787 bis 1862, also in einer
Zeit politischer, gesellschaftlicher und industrieller Umwälzungen. In dieser
Zeitspanne ereigneten sich sehr viele Aufstände und Revolutionen. Es ist möglich,
dass er diese Verse nach der bürgerlichen Revolution in Deutschland 1848
geschrieben hat. In diesen Jahren sind die Anfänge der industriellen
Entwicklung zu finden.
Uhland „kleidet“ seine Gedanken hierzu in Sätze und
ganz knapp in Verben, z. B. „… erwacht …“, „“…Sie schaffen an allen Enden …“
und „…Die Welt wird schöner mit jedem Tag …“.
Der Frühling gilt in der Literatur als ein Symbol
für Erneuerungen oder einen Neubeginn. Nach Kriegen ist die Welt oft verwüstet.
So haben nach der Revolution in Deutschland sehr viele Menschen ihren gesamten
Besitz verloren. Mit ihren Besitztümern wurden aber auch ihr Lebensmut, ihre
Hoffnungen und Träume zerstört.
Der Titel des Gedichtes „Frühlingsglaube“ macht Mut
und soll den Menschen zeigen, dass die Welt noch sehr viele schöne Dinge zu
bieten hat, solange man daran glaubt. Ludwig Uhlands Gedicht stellt einen
Aufruf an die Menschheit dar, nicht an ihren zerbrochenen Hoffnungen zu
scheitern, sondern vorwärts zu streben und nicht in Selbstmitleid oder
Melancholie zu versinken.
Durch den gleichmäßigen Aufbau der zwei kurzen
Strophen und seine verwendeten Interpunktionen, z. B. „…, vergiss der Qual!“ wird
dies von ihm verdeutlicht.
Es gab in dieser Zeit so viel zu tun. Neue Fabriken
und Industriezweige entstanden. Zwar gab es noch immer Elend und Armut in der
Bevölkerung, doch veränderten sich die gesamten Lebensbedingungen zum Besseren.
Die Arbeit, die schweren handwerklichen Tätigkeiten, wurden von Maschinen
übernommen. Alles war geprägt von emsigen Schaffen, was Ludwig Uhland mit den
Worten „Sie schaffen an allen Enden“ auszudrücken versucht.
Um aufzuzeigen, dass diese Geschehnisse erst ein
Anfang für noch viel weitreichendere Veränderungen sind, hat der Dichter die
Zeilen „Man weiß nicht, was noch werden mag, Das Blühen will nicht enden …“
verwendet.
Er möchte den Menschen verdeutlichen, dass sie leben
und dieses Leben auch genießen sollen. Sie müssen in die Zukunft schauen und
sich nicht immer in die düstere, traurige und hoffnungslose Vergangenheit
flüchten.
Dieses Gedicht ist ein Aufruf, seine Träume nicht zu
vergessen.
Durch seine klare und freundliche Beschreibung der
Natur gelingt es Uhland sehr gut, dieses Thema des Neubeginns darzustellen.
Beim Lesen des Gedichtes ergreift mich eine
fröhliche, unbeschwerte und hoffnungsvolle Stimmung.

Durch die Art der verwendeten Symboliken und Formen
lässt sich dieses Gedicht auch auf unsere heutige Zeit anwenden. Gerade in diesem
Jahrzehnt, welches von Arbeitslosigkeit und Gewalt geprägt ist, kann man solche
Worte der Hoffnung gebrauchen. Ludwig Uhland gibt durch seine Zeilen allen
Menschen Mut, die ihn gerade benötigen. Besonders durch diese zeitlosen
Formulierungen und Natursymbole behält das Gedicht seine eindrucksvolle Wirkung
auf den Leser.

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4 Antworten zu Interpretation Gedicht „Frühlingsglaube“ von Ludwig Uhland

  1. Anonym sagt:

    Liebe Frau Schmidt,Uhland hat dieses Gedicht, so wird es überliefert, im Jahre 1812 verfasst.Tja – und was nun?

    • Zwiebelchen sagt:

      Schade, dass hier Kritik nur in dieser Art und anonym geäußert wird…Doch ich bin Ihrem Hinweis nachgegangen und ja, das Gedicht soll im Jahr 1812 veröffentlicht worden sein. Dieser Hinweis hat seine Berechtigung.Mein Artikel entstand ursprünglich bereits im Jahr 1994 – noch vor Google oder Wikipedia.Zur Eläuterung meiner verfassten Interpredation möchte ich ausführen, dass diese nur auf den mir damals hierfür gegebenen Daten: Verfasser, den Jahreszahlen seiner Lebensspanne und eben dem Text des Gedichtes basiert. Der Zugriff auf weitere Medien war nicht zugelassen. Nicht immer ist uns das Erscheinungsjahr eines Werkes bekannt und lässt uns daher großen Spielraum für eigene Gedanken. Jede Interpredation ist indiviuell und subjektiv sowie abhängig von verschiedenen Kriterien.Auch wenn ich mich durch die Gegebenheiten in einer kurzen Passage auf das Jahr 1848 bezogen habe, können die Ausführungen dennoch für den gesamten Zeitraum des 19. Jahrhunderts angewandt werden.Im Jahr 1809 z. B. versuchte die Habsburgische Monarchie mit einem Krieg gegen die französische Vorherrschaft über Deutschland und Napoleon vorzugehen. Bereits hier begannen die wirschaftlichen und politischen Umwälzungen im Land, die das Leben von Uhland prägten. So ist nicht ausgeschlossen, dass dieses Gedicht, evtl. auch unbewusst, von diesen Ereignissen geprägt wurde. Wir können Ludwig Uhland nicht mehr fragen, welche Aussage er hier treffen wollte. Jedoch möchte ich unterstellen, dass es ihm nicht unbedingt um romantische Gefühlsregungen ging, dafür war er bekannt. Die Interpredation der Verse verbleibt im Auge des Betrachters. Daher stehe ich auch weiterhin hinter den von mir verfassten Zeilen und werde die Interpredation nicht abändern. Abgesehen von der von mir angenommenen Jahreszahl sind diese für mich allgemein gültig. Mit freundlichen GrüßenAnja Schmidt

  2. Dirk sagt:

    Im Sinne einer freien Interpretation finde ich den Text gelungen. Die Einbeziehung des historischen Kontextes ist wichtig, allerdings ist das auch eine Schwäche dieser Interpretation, weil sie sich recht stark darauf abstützt, ohne dass dies am Text näher belegt ist. Von der Idee her gesehen würde ich stärker auf die Elemente der Romantik eingehen. Der Titel FrühlingsGLAUBE legt ja nahe, dass es einen religiösen Bezug gibt und daher würde ich zumindest den Aspekt des Pantheismus erwähnen. Ansonsten würde ich das Gedicht, als recht klassisches romantisches Gedicht, gar nicht so sehr vielschichtig sehen. Zwar wird auch der Hoffnung viel Bedeutung beigemessen, aber eine Kritik an der Industrialisierung wäre m.E. eine zu freie Interpretation und ist eher eine subjektive Assoziation.

    • Zwiebelchen sagt:

      Danke Dirk für die konstruktiven Ausführungen. Die Hinweise sind hilfreich und geben Lesern einen guten Blickwinkel für eigene Gedanken.Ich möchte nicht ausschließen, dass ich die Interpretation aufgrund der inzwischen vergangenen Jahre und der gemachten Erfahrungen heute anders schreiben würde. Der Text spiegelt meinen damaligen Eindruck wieder. Zeiten und Menschen verändern sich und auch die Sichtweisen. Mit Anfang Zwanzig (der Text stammt von 1994) betrachtet man seine Umwelt anders. Dennoch stehe hinter den Zeilen, die ich damals verfasst habe und es wäre falsch, wenn ich heute etwas daran verändern würde.

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