Rezension „Hanas Koffer“ von Karen Levin – Ravensburger Buchverlag – Gegen das Vergessen

Taschenbuch: 153 Seiten
Verlag: Ravensburger Buchverlag; Auflage: 5 (1. Juni 2006)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3473523089
ISBN-13: 978-3473523085
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 10 – 12 Jahre
Originaltitel: Hana’s Suitcase



Inhalt:


Ein Koffer mit der Aufschrift „Hanna Brady, Waisenkind“ fasziniert die jüngsten Besucher des Holocaustmuseums in Tokio. Sie wollen mehr über Hana wissen. Also begibt sich die Museumsleiterin auf eine Reise in die Vergangenheit. Sie findet Fotos und Zeichnungen von Hana und begegnet schließlich Hanas Bruder. So erfahren die Kinder, wie Hana aussah, was sie gerne spielte, wer ihre Eltern waren – und wie ihr junges Leben ausgelöscht wurde. In der Erinnerung dieser Kinder – und der Leser – wird Hana lebendig bleiben.

Quelle: Amazon

Über die Autorin und weitere Mitwirkende

Karen Levine ist eine preisgekrönte kanadische Radio-Produzentin. Aus einem Radiobeitrag über das Schicksal das jüdischen Mädchen Hana Brady hat sie ihr erstes Kinderbuch „Hanas Koffer“ entwickelt. Das Buch wurde ein Bestseller und eines der bestverkauften kanadischen Kinderbücher. Karen Levine lebt mit ihrer Familie in Toronto.

Mirjam Pressler wurde 1940 in Darmstadt geboren – ein uneheliches Kind jüdischer Abstammung, das bei Pflegeeltern aufwuchs. In Frankfurt besuchte sie die Hochschule für Bildende Künste. Sie hat drei inzwischen erwachsene Töchter und fünf Enkelkinder. Die Liste der Berufe, die sie ausgeübt hat, ist lang. Ihre ersten Bücher schrieb sie nachts, neben Beruf, Familie und Haushalt. Gleich für ihre ersten Roman bekam sie den Oldenburger Jugendbuchpreis. Seit vielen Jahren schreibt sie hauptberuflich für und über Kinder und ihre Probleme, die nicht dadurch gelöst werden, dass man sie verbirgt und überspielt. Für ihre eigenen Bücher und die Übersetzungen aus dem Hebräischen und dem niederländisch-flämischen Sprachraum hat Mirjam Pressler viele Preise und Auszeichnungen erhalten, 1998 wurde sie mit dem deutschen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Mirjam Pressler lebt in der Nähe von München.

Quelle: Amazon

Rezension:

Tokio ist mehr als nur einen Katzensprung von Europa, von Polen und Deutschland entfernt und doch hat ein einzelner Gegenstand von hier das Leben der Kinder und ihrer Lehrerin nachhaltig beeinflusst. Es handelte sich `nur` um einen alten Koffer mit der Aufschrift »Hana Brady – Waisenkind«, der jedoch eine Spurensuche in Gang setzte, die es vorher noch nicht in dieser Art gegeben hat. Der Weg führte über Polen und die deutsche Vergangenheit zu einem Ergebnis, das die Herzen und Gemüter vieler weiterer Menschen berühren sollte.

Es ist erstaunlich, wie viel sich über Menschen, sogar Kinder noch viele Jahrzehnte nach dem Ende des 2. Weltkrieges noch herausfinden lässt. Dabei war Hana doch eigentlich nur ein Kind unter so vielen. Dennoch ist es ihr Schicksal, das uns nach dem Lesen dieses Buches nachhaltig bewegen wird. Aus einem bloßen Namen auf einem Stück Papier oder eben einem Koffer, einer tragischen Schicksalsgeschichte erwächst ein für uns greifbarer Mensch, eine wirklich existente Person. Hana wird fast zu einer Art Freundin. Sie erhebt sich aus der Anonymität der Allgemeinheit und bekommt für uns ein Gesicht, eine Lebensgeschichte …

Hana war ein fröhliches lebensbejahendes Kind, deren behütetes Leben plötzlich gravierenden Veränderungen unterworfen wird. Sie verliert die Geborgenheit ihres Elternhauses, den Schutz ihrer Eltern und muss getrennt von ihrem Bruder in Theresienstadt unter fremden Menschen und schwierigen Bedingungen heranwachsen. Dennoch verliert sie ihren Lebensmut und Optimismus nicht. Hana war ein 13jähriges Mädchen mit vielen Träumen und Zukunftsvisionen. Jedoch bekam sie nie eine Chance, diese zu erleben oder zu verwirklichen. Man muss noch heute ihren Mut, ihren Lebenswillen und die Kraft zu überleben bewundern.
Hana hatte allein aufgrund ihrer Jugend und da sie für ihr Alter auch nicht übermäßig groß war, nicht den Hauch einer Chance in Ausschwitz zu überleben. Doch Hana ist leider kein Einzelschicksal. Vielmehr steht sie symbolisch für all die vielen Kinder, deren Leben vorzeitig beendet wurden – durch eine Diktatur, eine menschenverachtende Politik und Menschen, die sich als Instrumente dieser Ideologien missbrauchen ließen bzw. deren geistige Abgründe für uns nicht nachvollziehbar sind. Ihr Schicksal ist ein Mahnmal, das uns zu verstehen gibt, dass so etwas nie wieder geschehen darf.

Das Buch ist sehr kindgerecht geschrieben und lässt Jugendliche behutsam in diesen dunklen Teil der Geschichte eintauchen. Für uns, die wissen, was passiert ist und wie Hanas Geschichte ausgehen wird, ist es eine emotionale Achterbahn. Der Moment, als das Tor hinter der Gruppe von Kindern zuschlug, war für mich der berührendeste und schwerste Teil. Allein, weil ich wusste, was danach geschah, auch wenn es nicht direkt im Text steht bzw. gerade deswegen. In diesem Augenblick bleibt man hilflos, wütend und sehr traurig zurück.

»Hanas Koffer« ist nur eine Station auf dem Weg, um den Opfern des Holocaust ein Gesicht zu geben, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Arndt Stroscher und Peggy Steike haben durch ihr Engagement und die emotional tiefen Bilder im Rahmen ihres Projektes »Gegen das Vergessen« einen großen Anteil daran, dass wir uns auch heute noch an all die Unschuldigen, die dem Naziregime zum Opfer fielen, erinnern. 
Namen und Worte auf Papier sind sehr geduldig, doch sehen wir ein Bild, ein Foto, bekommen diese Personen auch ein Gesicht, sie werden real. Wir können uns ihnen emotional nicht mehr so einfach entziehen. Sie berühren uns und ihre Geschichte wird persönlicher.

Es ist wundervoll zu sehen, wie die Aktion »Hanas Koffer – ein Reisetagebuch« sich entwickelt hat und wie liebevoll und herzlich Hana überall aufgenommen wird.
Entgegen der im Foto angezeigten Punkte, sind wir bereits auf dem Weg zur 10. Station.
Meine Vergissmeinnicht gedeihen und ich hoffe, dass in einigen Wochen auch Blüten aus dem Grün auftauchen werden.

Ich vergebe an dieser Stelle absichtlich keine Punkte für das Buch, da dies dem Inhalt einfach nicht gerecht werden würde, empfehle aber allen unbedingt, es zu lesen.
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Eine Antwort zu Rezension „Hanas Koffer“ von Karen Levin – Ravensburger Buchverlag – Gegen das Vergessen

  1. Anne Parden sagt:

    Hanas Koffer ist ein Siegeszug des Erinnerns. Schöne Zeilen zu dem Buch hast Du geschrieben!

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