Rezension „Das Apfelkuchenwunder oder die Logik des Verschwindens“ von Sarah Moore Fitzgerald – Fischer KJB

Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
Verlag: FISCHER KJB; Auflage: 1 (20. August 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3737351961
ISBN-13: 978-3737351966
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 12 Jahren
Originaltitel: The Apple Tart of Hope
D: 14,99 Euro

Inhalt:

Ein wunderbares Buch über das Anderssein, über wahre und falsche Freundschaft und darüber, dass die Rettung manchmal von unerwarteter Seite kommt

Oscar ist Megs bester Freund. Er hat ein besonderes Gespür für seine Mitmenschen und ist mit seinem Apfelkuchen stets zur Stelle, wenn er gebraucht wird. Doch als er selbst Hilfe braucht, ist Meg am anderen Ende der Welt. Und auch sonst ist niemand für ihn da. Oscar verschwindet spurlos – und alle befürchten das Schlimmste. Alle, bis auf Meg. Sie ist fest entschlossen, herauszufinden, was wirklich passiert ist …

Quelle: Amazon

Die Autorin:

Sarah Moore Fitzgerald, geboren 1965 in New York, USA, ist Professorin für Psychologie. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Limerick, Irland, und glaubt ganz fest an die magische Wirkung von Apfelkuchen. Und daran, dass man die Hoffnung niemals aufgeben darf.

Quelle: Amazon

Rezension:

Eisbären faszinieren und begeistern fast alle Zoobesucher. Harmlos, knuddelig und lieb schauen Eisbären hinter den schützenden Gitterstäben oder Mauern aus. Doch wehe, man kommt ihnen zu nahe oder reizt sie, dann regiert der Instinkt, der Jagdttrieb erwacht und das vermeintliche Kuscheltier wird zu einem gefährlichen unberechenbaren Raubtier…
Ihr fragt euch sicher, was dies alles mit „Das Apfelkuchenwunder oder die Logik des Verschwindens“ zu tun hat. 
Jede Aktion oder Reaktion bedarf eines Auslöser. In diesem Buch ist der Auslöser ein hübsches, freundlich und hilfsbereit wirkendes Mädchen, eine vermeintliche Freundin, die eine Lawine von Ereignissen in Gang setzt, deren Ausgang auch ganz anders hätte aussehen können.
Hinter der Fassade von Normalität verbergen sich eine Bösartigkeit, ein Egoismus und eine Niedertracht, die wir bei einer 14jährigen so nicht vermuten würden. 
Bei Eisbären täuscht das Äußere die Umwelt auch über das wahre Wesen dieser Tiere hinweg, jedoch mit einem Unterschied – Bären handeln ihrem Instinkt gemäß und dieser dient dem Überleben in der freien Natur. 
Paloma allerdings handelt überlegt, ihr Verstand diktiert ihre Vorgehensweise. Mit wohlgesetzten kleinen Andeutungen, Gesten und psychologisch klug angelegten Aktionen gelingt es ihr fast, ein Leben auszulöschen, einen beliebten sensiblen Jungen in die Rolle des Außenseiters zu drängen und das Leben mehrerer Menschen zu zerstören. Ihre Art des Mobbings ist wohl strukturiert. 
Niemand bemerkt dies. Ihre Mitschüler werden zu Marionetten, gedankenlosen Mitläufern. 
Erschreckend ist, dass Paloma die Ereignisse, die sie ins Leben gerufen hat, nichts ausmachen, dass ihr alle Menschen außer ihrer eigenen Person schlichtweg egal sind. Sie nutzt jede sich bietende Gelegenheit, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und im Mittelpunkt zu stehen.
Hier frage ich mich, wie kann ein Kind bereits so kalt sein, so gefühllos. 
Doch eine Andeutung hierfür liefert uns Sarah Moore Fitzgerald fast nebenbei. Eltern prägen ihre Kinder und in diesem Fall ist es Pamelas Mutter, deren Hobby darin zu bestehen scheint, die Geheimnisse der Menschen in ihrer Umgebung herauszufinden und diese dann direkt der Öffentlichkeit, so auch ihrer Tochter direkt weiterzugeben. Die eigene Wichtigkeit tritt so für sie hervor und sie weidet sich am Leid anderer.
Pamela und ihre Mutter machten mich wütend und doch musste ich hilflos zusehen, wie die Dinge in Gang gesetzt wurden, erahnte die Wege die wenig später beschritten wurden und konnte doch nicht eingreifen…
Doch dieses Buch gibt natürlich auch sehr viele positive leuchtende Einblicke auf das Leben. Es geht um Freundschaft, Vertrauen, Liebe, Hoffnung, Stärke und den sensiblen Umgang mit unseren Mitmenschen.
Kann ein einfacher Apfelkuchen magisch sein, ein Leben retten, glücklich machen? Ein paar einfache Zutaten, ein wenig Gefühl und der Sonnenschein kehrt in das Leben zurück?
Kann diese Gleichung so einfach aufgehen?

Es muss wahrscheinlich nicht unbedingt ein Apfelkuchen sein. Ich denke, die Geste selbst bzw. die Art, in der dieser Kuchen gebacken und weitergereicht wird, ist entscheidend für die Wirkung. Oft sind es die kleinen Dinge im Leben, die wirklich wichtig sind, die eine tiefe Bedeutung haben können und Freude schenken. 
Oscar ist gerade einmal 14, als seine beste Freundin wegzieht, er sich einem anderen Mädchen öffnet, sein größtes Geheimnis offenbart, erfährt, wie tief Verrat verletzen kann und erleben muss, wie Schritt für Schritt seine bis dahin relativ heile Welt zusammenbricht. Unerwartet hat er eine unheimlich schwere Last zu tragen. Der einzige Halt, Meg, ist für ihn in dieser Zeit unerreichbar und er muss seine Probleme allein bewältigen. 

Oscar ist empathisch veranlagt. Einfühlsam und mit Unterstützung seines Apfelkuchens gelingt es ihm immer wieder, die Welt für andere ein Stückchen besser zu machen. 

Als er am Tiefpunkt seiner Gefühlswelt angelangt ist, erfährt er unerwartet selbst Hilfe. Barney, dessen Leben er nur mit Hilfe eines Stückchen Apfelkuchens und einer Unterhaltung rettete erweist sich in letzter Sekunde als Anker. Zuhören und gegenseitig für einander da sein, kann bestimmend für den Fortgang vieler Ereignisse sein.

Setzt euch einfach einmal zusammen an einem Tisch, genießt ein Kuchenstückchen und sprecht euch aus. In dem Moment, in dem ihr den Kuchen esst, hört ihr vielleicht den anderen intensiver zu und gute Ratschläge verfehlen ihre Wirkung nicht.

Im Buch lernt ihr auch Meg – Oscars beste Freundin und seinen Bruder Stevie kennen. Die beiden sind neben dem Vater der Jungen die einzigen im ganzen Ort, die die Hoffnung, dass Oscar noch am Leben ist, nicht aufgeben. Sie akzeptieren nicht einfach eine Situation, sie hinterfragen. Hier erleben wir, was Liebe und wahre Freundschaft bedeuten. Aber auch, wie schnell ein Missverständnis entstehen und Menschen trennen kann. Wie viel Reue und Schuld man empfinden kann, ohne etwas verbrochen zu haben.
„Das Apfelkuchenwunder“ ist ein wichtiges, jedoch kein einfaches Buch für Jugendliche und Erwachsene. Der Klappentext täuscht eine Leichtigkeit vor, die der schwer wiegende Inhalt nicht zulässt. Dennoch ist es immer wieder wundervoll, wenn eine Inhaltsbeschreibung neugierig macht, die eigenen Erwartungen jedoch um Längen übertroffen werden. Allerdings sollten potentielle Leser ein wenig mehr auf das, was dieses Buch von ihnen abverlangen wird vorbereitet werden.

„Ich habe es nicht geschafft, mich umzubringen. Und als mir klar wurde, dass ich nicht einmal das richtig hinkriege, beschloss ich, das Zweitbeste zu tun: fortzubleiben und so zu tun, als wäre ich tot. Ein Teil von mir sehnte sich allerdings nach einer Weile danach, dass jemand kommen und mich finden würde.“

Das Buch liest sich dennoch irgendwie leicht, man ist durch die insgesamt 256 Seiten rasch durch, doch es lässt einen nicht so einfach wieder los. Die unterschiedlichen Erzählperspektiven eröffnen dem Leser ein umfassendes Gesamtbild und tieferes Verständnis der einzelnen Situationen. Der feine Humor zwischen den Zeilen lockert die entstehenden Spannungen auf eine positive Art.
Die Geschichte macht unheimlich wütend, gibt Hoffnung und lässt den Leser in einer nachdenklichen Stimmung zurück.
Mit diesem Buch habe ich mich trotz der ernsten Thematik unheimlich wohl gefühlt.
Ich wäre am Schluss gern noch ein wenig bei Oscar, Meg, Stevie und Barney verweilt, doch der Abschied von ihnen kam viel zu rasch. Im Kopf und meinen Gedanken verweilen sie dagegen noch immer.
Ich hoffe, dieses Buch bekommt die Anerkennung, die es verdient.

Kimmy vergibt 5 von 5 Käseecken
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2 Antworten zu Rezension „Das Apfelkuchenwunder oder die Logik des Verschwindens“ von Sarah Moore Fitzgerald – Fischer KJB

  1. Anonym sagt:

    Der Eisbär-Vergleich ist brillant und trifft, wie die gesamte Rezension, den Punkt! Wundervoll

  2. Zwiebelchen sagt:

    Dankeschön. Freue mich über das Lob Arndt.

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