Rezension „Das schwarze Loch in mir“ von Anders Johansen – Beltz & Gelberg

Gebundene Ausgabe: 295 Seiten 

Verlag: Beltz & Gelberg; Auflage: 1 (11. Juli 2016)
Sprache: Deutsch
übersetzt von Gabriele Haefs
ISBN-10: 3407821727
ISBN-13: 978-3407821720
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 – 15 Jahre
Originaltitel: Hullet
Buch kaufen: Beltz & Gelberg
D: 14,95 Euro

Inhalt:

Die geschützte Welt des autistischen David gerät aus den Fugen, als der Fortschritt über das archaische färöische Dorf Fjeldvig hereinbricht und er ungewollt in einen tödlichen Unfall verwickelt wird.
Ganz Fjeldvig ist in Unruhe, denn ein Tunnel soll das völlig abgeschiedene Dorf mit dem Rest des Landes verbinden.
Auch der autistische David fürchtet die Veränderungen, die das »schwarze Loch« auslöst. Zum Glück hat er seinen Bruder Peter, der seine behütete Welt zu erhalten versucht. Doch Peters plötzlicher Entschluss, Fjeldvig durch das »schwarze Loch« zu verlassen, lässt Davids Leben zusammenbrechen und löst einen tragischen Unfall aus.

Ein berührender Roman zum Eintauchen, erzählt vor der faszinierenden Kulisse der Färöer-Inseln.

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Der Autor:

Anders Johansen, geboren 1953, arbeitet seit vielen Jahren erfolgreich als Autor und Übersetzer. Er lebt in Ostjütland, in einer kleinen Stadt in der Nähe von Aarhus. In seiner Freizeit fotografiert und läuft er gerne. »Das schwarze Loch in mir« ist seine erste Veröffentlichung bei Beltz & Gelberg.

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Rezension:

Anders Johansen nimmt uns mit auf Färöer-Inseln. Hier ist das Leben noch beschaulich und die Welt in Ordnung. Die Bewohner des idyllischen, aber abgelegenen Dörfchens leben abgeschottet von fast jeglicher modernen Zivilisation. Eines Tages jedoch hält auch hier der Fortschritt seinen Einzug. Niemand hat an den Bau des Tunnels geglaubt und so werden sie förmlich von den Ereignissen überrannt. 

David lässt uns die Ereignisse mit seinen Augen erleben. Und genau hier beginnt für mich die Besonderheit des Buches.
David ist kein gewöhnlicher Junge, denn David ist Autist. Was dem Leser rasch klar wird, bedeutet für die Dorfbewohner und seine Familie nur, dass David anders, überschlau und merkwürdig ist. Die Diagnose „Autist“ wurde vom ansässigen Dorflehrer zwar vorsichtig angesprochen, jedoch sind die Menschen gut im Verdrängen unangenehmer Tatsachen. Selbst seine Eltern wollen nicht wahrhaben, dass ihr Sohn spezielle Hilfe benötigt. So wächst David in seiner kleinen, relativ sicheren Welt wohlbehütet auf. Aber auch diese Sicherheit wird durch den Tunnelbau empfindlich gestört.


Davids Probleme mit emotionaler Empathie spiegeln sich im Erzählstil des Autors wieder. Der Junge hat Schwierigkeiten, die eigenen Gefühle und dementsprechend auch die seiner Mitmenschen zu verstehen, einzuordnen und erwartungsgemäß zu reagieren. Diesen Ton hat Anders Johansen perfekt getroffen.
Wird der Stress für David zu groß, zeigt er unangemessene Reaktionen und wird zum Gespött der anderen. Dagegen ist für ihn die Familie ein wichtiger Anker. Gerade an seinem großen Bruder, seinem Beschützer, hängt er. Peter ist sein Fels in der Brandung. Routine, Rituale und Rückzugsmöglichkeiten sind ihm wichtig. Eines Tages wandelt sich die Situation und David fühlt sich zum Beschützer seines Bruders berufen. Für den Jungen bedeutet dies ein Gefühlschaos, das in einer Tragödie enden wird.

Mit dem Tunnelbau und der Eroberung der Insel durch den Tourismus gerät Davids stabile Welt aus den Fugen. Er versucht sein Bestes, mit der sich verändernden Umwelt zurechtzukommen. Dies gelingt mal besser, mal schlechter. Seine Eltern, insbesondere sein Vater und die gestandenen Dorfbewohner, sind ihm dabei keine Stütze. Sie sträuben sich gegen den Fortschritt und die Modernisierung.
Der Autor zeigt, wie schwer es fällt, sich Neuem anzupassen. Veränderungen sind unbequem. Die Menschen müssen sich aus ihrer Komfort-Wohlfühlzone herausbewegen und dem Neuen, Unbekannten stellen. Es ist eine Herausforderung für Jung und Alt.

Wir erleben, wie das friedliche Miteinander durch wenige Einflüsse von außen und Konkurrenzdenken gestört werden kann. Der Autor zeigt die Hilflosigkeit und Überforderung der Menschen auf, bietet aber gleichzeitig einen möglichen Ausweg.

Umrahmt wird die Geschichte von intensiven landschaftlichen Beschreibungen, die die Idylle dieses Fleckchen Erde greifbar werden lassen.

Anders Johansen hat David ausgewählt, seine Geschichte zu erzählen. Er lässt sich voll auf die Persönlichkeit des autistischen Jungen ein. Ich empfand diese Sichtweise sehr interessant, da David ein guter Beobachter ist und wir als Leser auch auf kleine Details aufmerksam gemacht werden. Der Blick auf die Welt um uns herum verschärft sich und gibt Denkanstöße. 

Jedoch wird der Erzählstil dadurch gerade auf die eigentliche Zielgruppe der jugendlichen Leser recht kühl und emotionslos wirken. Für einen Jugendroman fehlt der nötige Biss. Ich bin mir nicht sicher, ob Zwölfjährige sich von „Das schwarze Loch in mir“ beeindrucken und fesseln lassen. Dafür ist es an vielen Stellen trotz der flüssig leichten Schreibweise doch recht trocken und daher schwierig zu verstehen. Für die jüngere Altersgruppe empfand ich diesen Roman nur bedingt geeignet. 
Es ist kein leichtes Thema, das der Autor aufgreift und man muss die Persönlichkeit und das Wesen von David verstehen, um die Tiefe des Textes begreifen zu können.
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2 Antworten zu Rezension „Das schwarze Loch in mir“ von Anders Johansen – Beltz & Gelberg

  1. Ich hab meine Rezension für das Buch gerade eben fertiggestellt und scrolle nun so durch die Blogs, die es ebenfalls gelesen haben.Es freut mich wirklich, was du darüber schreibst. In den meisten Blogs bisher hab ich immer nur gelesen, David sei "völlig emotionslos", das Buch sei "viel zu schwierig" und man "würde nicht warmlaufen" damit. Ich finde so etwas schade, denn das zeugt von Vorurteilen gegenüber dem Thema Autismus und dass sich die Rezensenten gar nicht näher mit der gegebenen Thematik auseinandergesetzt haben (obwohl es doch schon in der Beschreibung für die Bewerbung stand) oder einfach nicht wollten. Da stellt sich mir die Frage, weshalb ich mich dann für den Titel überhaupt bewerbe…Allerdings zu schreiben, dass David spezielle Hilfe benötigt, stimmt nicht. Da bist du leider falsch informiert. Bei der Schule, auf die er kommen wird, geht es lediglich darum, dass er ein eigenes Förderprogramm hat, denn David ist sehr intelligent und das kann großartige Berufswege zu Tage fördern. 🙂 Autisten können ganz normale Leben führen – es kommt ja immerhin auch immer auf das Spektrum an, in welches derjenige fällt.

  2. Zwiebelchen sagt:

    Liebe Babsi,lieben Dank für Deine Ausführungen.Ja, es ist schade, dass viele das Wesen dieses Buches nicht greifen können. Der Ausdruck – spezielle Hilfe für David – war vielleicht etwas missverständlich ausgedrückt. Ich meinte damit schon Förderprogramme und Unterstützung, die ihm gerecht werden. Dass wir mit diesem Protagonisten einen überaus intelligenten Menschen vor uns haben, geht eigentlich auch aus dem Buch hervor. Er muss nur lernen, mit seinen Gefühlen und der Umwelt klar zu kommen. Im Buch schwimmt er mir da irgendwie in unbekannten Gewässern und sucht nach dem roten Faden, der ihn durch das Leben leitet. Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass man ihm den richtigen Weg aufzeigen muss, damit er diesen am Ende allein beschreiten kann. Und genau das funktioniert nicht gänzlich ohne Hilfe und Personen, die sich mit Autismus und seinen Besonderheiten auskennen. Ich hoffe, dass war jetzt nicht schon wieder zu umständlich ausgedrückt. :)Ganz liebe GrüßeAnja

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