Benedict Wells auf der Erfurter Herbstlese 2016 – „Vom Ende der Einsamkeit“

Bereits zum Auftakt der diesjährigen Herbstlese war sein Buch „Vom Ende der Einsamkeit“ ein polarisierendes Thema. Die Gefühle und Meinungen schwankten zwischen anregend, euphorisch bis hin zu arger Kritik. Das literarische Quartett war sich bei diesem Werk einmal wieder nicht ganz Eins. (nachzulesen hier).

Heute war Benedict Wells persönlich auf der Herbstlese im Erfurter Hugendubel anzutreffen.
Doch wie muss man sich einen Ausnahmeautor vorstellen, der bereits mit 19 Jahren seinen ersten Bestseller veröffentlicht und nun bereits mit dem vierten Buch umfassende Erfolge feiern darf?
Benedict Wells ist ein natürlicher, sympathischer und bei allem Erfolg bescheiden gebliebener Mensch, der mit frischen Elan und jungenhaften Charme sein Publikum einzufangen weiß. Dabei vereint seine Leserschaar mehrere Generationen miteinander. 

Während der Lesung durften wir sogar eine Gesangseinlage von „Moon River“ genießen.





„Es gibt Dinge, die ich nicht sagen sondern nur schreiben konnte. Denn wenn ich redete, dann dachte ich, und wenn ich schrieb, dann fühlte ich.“

Gefühle sind ihm wichtig, Authentizität. Und genau das ist es, was seine Werke ausmacht.
Auffallend ist, dass Benedict Wells sehr viel in Metaphern spricht, gerade so, wie man ihn auch beim Schreiben erlebt. Er bedient keine Klischees. In seinem Buch finden sich tiefgehende Charakterstudien. Seine Protagonisten sind klar gezeichnet und wir erleben als Leser die komplette Bandbreite an Gefühlen, die das Leben mit sich bringt. Ein literarisches Paket, bei dem Lesen und Gefühlserleben Hand in Hand gehen. 

„…Das Heilmittel für Einsamkeit ist Geborgenheit, nicht wahlloses Zusammenleben…“

Benedict Wells schreibt aus einem inneren Drang heraus. Ungeduldig beginnen die Geschichten aus ihm herauszusprudeln und müssen im Nachhinein gestutzt, erweitert oder komplett umgeschrieben werden, bis wir das vollendete Buch in den Händen halten dürfen. 

Ist der Anfang geschafft und die ersten Sätze füllen das weiße Papier, schreibt es sich für ihn fast wie von selbst. Das Ende ist das ultimativ Wichtigste an seinen Romanen. An diesem wird eigentlich nie etwas geändert. Dazwischen können schon einmal komplette Kapitel ausradiert werden, wenn diese den Handlungsstrang stören bzw. unpassend erscheinen. Da werden aus 800 geschriebenen Seiten auch ganz fix 355 Seiten geballte Power.

Einen Studienabschluss hat der Autor nicht, doch das Wagnis, sich in ein unbestimmtes Autorenleben zu stürzen, ist ihm mit Bravour gelungen. Hierfür gab es am gestrigen Abend eine sehr schöne und passende Einleitungsrede von Monika Rettig, welche Benedict Wells sehr gern an sein 19jähriges ICH geschickt hätte. 

Er ist Realist und betont, dass er sehr viel Glück in seiner bisherigen Schreiblaufbahn hatte. Zu verdanken ist dies vor allem zwei Menschen – seinem Agenten und seinem Verleger. Können allein ist beim Schreiben gar nicht wichtig findet er. Ein starker Wille und Durchhaltevermögen sind für ihn Wegbestimmend. 
…Manchmal bedeutet ein Buch zu schreiben, einen Turm aufzubauen, sich zu trauen, Teile oder das komplette Objekt abzureißen, zu sehen, ob die verbliebenen Elemente halten und den Turm in einer verbesserten Form neu zu errichten.. (frei nach Benedict Wells)

Bei „Vom Ende der Einsamkeit“ hat sich der Autor erstmalig getraut, nicht alle Energie komplett in den Anfang der Geschichte zu packen, sondern sich alles über 10 Kapitel hinweg langsam entwickeln und zum Ende hin Fahrt aufnehmen zu lassen. Ein Versuch, den man nur als gelungen bezeichnen kann. Auch hat er sich zum ersten Mal die Zeit genommen, sein Werk über ein Jahr hinweg zu überarbeiten. Dabei erstreckte sich die Entstehungsdauer und Vollendung dieses vierten Buches über sieben lange Jahre hinweg. 

Doch auch die Protagonisten im Buch nehmen uns mit auf ihren Entwicklungsweg, der sogar eine Zeitspanne von 35 Jahren umfasst. 
Aus der Grundidee einer Liebesgeschichte, verselbständige sich diese im Laufe von vier bis fünf Jahren, Marty ergänzt die ursprünglich zwei geplanten Geschwister und natürlich fließt auch die persönliche Weiterentwicklung des Autors in die Geschichte mit ein. So kann er auf 13 Jahre Internatserfahrung und Beobachtungen während der Schulzeit zurückblicken, wodurch seine Beschreibungen in „Vom Ende der Einsamkeit“ ihre Authentizität erlangen. Dabei hat Benedict Wells persönlich nur positive Erinnerungen an seinen Internatsaufenthalt. 
Für die eigentlichen Personen der Geschichte gibt es allerdings keine realen Vorbilder. Diese entspringen seiner Fantasie.

Noch immer irritiert ihn der riesige Erfolg seiner Bücher. Im Moment ist das, was um ihn herum geschieht für Benedict Wells nicht greifbar und er schätzt, dass es auch in zwei Jahren nicht anders sein wird. Ist er doch innerlich ein ganz normaler Typ in Berlin, der eben schreibt. 

Erinnerungen sind ihm wichtig und sich seine Empfindsamkeit zu bewahren. Er möchte kein „Arsch“ sein und sich selbst nicht zu wichtig nehmen. Seine Träume bezeichnet er momentan als übererfüllt, was sich hoffentlich noch lange Zeit fortsetzt.
Der Autor mag keine Talkshows, ist dafür aber sehr nah an seinen Lesern. Für Gespräche, Fotos und Signierwünsche nimmt er sich viel Zeit. 
Zum Glück gehen Benedict Wells die Ideen nicht aus. Ein fünftes Buch ist in Arbeit. Es wird um den „Sommer mit 16“ gehen. Die neuen Protagonisten und Ereignisse schwirren bereits in seinem Kopf herum und begleiten ihn während der Fahrten zu seinen aktuellen Lesungen.


Ich hoffe, wir dürfen das Ergebnis dieses Kopfkinos bald in den Händen halten.

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