Rezension „Heimkehren“ von Yaa Gyasi (Buch und Hörbuch) – DuMont Buchverlag / Der Audio Verlag

Gebundene Ausgabe: 416 Seiten

Verlag: DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG; Auflage: 1 (22. August 2017)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3832198385
ISBN-13: 978-3832198381
Originaltitel: Homegoing
D: 22,00 Euro

Hörbuch
Spieldauer: 11 Stunden und 55 Minuten
Format: Hörbuch-Download
Version: Ungekürzte Ausgabe
Verlag: Der Audio Verlag
Ungekürzte Fassung mit Bibiana Beglau, Jule Böwe, 
Johann von Bülow, Britta Steffenhagen, Wanja Mues, 
Bjarne Mädel, Götz Schubert, Rike Schmid, 
Judith Engel, Lisa Wagner, Stefan Kaminski, Felix Goeser, 
Jodie Ahlborn, Max Mauff
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-7424-0237-0
D: 21,99

Inhalt:

Obwohl Effia und Esi Schwestern sind, lernen sie sich nie kennen, denn ihre Lebenswege verlaufen von Anfang an getrennt. Im Ghana des 18. Jahrhunderts heiratet Effia einen Engländer, der im Sklavenhandel zu Reichtum und Macht gelangt. Esi dagegen wird als Sklavin nach Amerika verkauft. Während Effias Nachkommen über Jahrhunderte Opfer oder Profiteure des Sklavenhandels werden, kämpfen Esis Kinder und Kindeskinder ums Überleben: auf den Plantagen der Südstaaten, während des Amerikanischen Bürgerkrieges, der Großen Migration, in den Kohleminen Alabamas und dann, im 20. Jahrhundert, in den Jazzclubs und Drogenhäusern Harlems. Hat die vorerst letzte Generation schließlich die Chance, einen Platz in der Gesellschaft zu finden, den sie Heimat nennen kann und wo man nicht als Menschen zweiter Klasse angesehen wird?
Mit einer enormen erzählerischen Kraft zeichnet Yaa Gyasi die Wege der Frauen und ihrer Nachkommen über Generationen bis in die Gegenwart hinein. ›Heimkehren‹ ist ein bewegendes Stück Literatur von beeindruckender politischer Aktualität.
New-York-Times-Bestseller

Quelle: Amazon

Die Autorin

Yaa Gyasi, 1989 in Ghana geboren, ist in den USA aufgewachsen. Sie hat Englische Literatur an der Stanford University studiert und einen Abschluss des Iowa Writers Workshop. Für ihr Debüt ›Heimkehren‹ erhielt sie u. a. von der National Book Foundation die Auszeichnung ›5 under 30‹. Die Autorin lebt in den USA.
Anette Grube, 1953 in München geboren, hat Anglistik studiert. Sie hat u. a. Arundhati Roy, Richard Yates, Ch. N. Adichie, T. C. Boyle, Vikram Seth, Kate Atkinson und Mordecai Richler ins Deutsche übersetzt.

Quelle: Amazon

Rezension:

Wo liegen unsere Wurzeln? Sind wir wirklich frei in jeder unserer Entscheidungen? Was bedeutet Freiheit für den Einzelnen?

Fragen, die sich bei diesem Epos von Werk unwillkürlich aufdrängen. Mit „Heimkehren“ durchlaufen wir Generationen von Menschenleben, hinterfragen Familienbande. Wie viel von unserem Charakter und dem, was wir irgendwann einmal tun werden, hat seine Wurzeln bereits Generationen vor unserer Geburt. Es ist faszinierend, zu verfolgen, wie sich Eigenheiten und sogar Ängste über Urgroßeltern auf deren Urenkel übertragen. Erlebnisse noch Jahrhunderte später das Leben der Nachfahren beeinflussen. Wie bestimmte Merkmale Generationen überspringen, um dann noch deutlicher in Erscheinung zu treten.

„Heimkehren“ beginnt im Jahr 1764 in Ghana. Wir begegnen Effia und Esi. Sie sind Schwestern, werden sich aber nie begegnen. Ihrer beider Leben verläuft in grundsätzlich verschiedenen Bahnen. Wir folgen ihnen und ihren Nachkommen über sieben Generationen hinweg. Schilderungen des Lebens aus 14 Perspektiven heraus erwarten uns. Ein buntes Bildermeer von Schicksalen über Jahrhunderte hinweg. Eng miteinander verknüpft und doch finden manche möglichen Begegnungen nie statt. Zufälle bestimmen den Werdegang der einzelnen Protagonisten. Eine einmalig getroffene Entscheidung kann die Richtung, in die wir uns bewegen grundlegend verändern.

Ich hatte den Vorzug, dem Verlauf der Geschichte via Hörbuch zu lauschen. An dieser Stelle möchte ich ein großes Dankeschön an Arndt von Astrolibrium weiterreichen. Auch für das Bildmaterial, welches ich hier im Artikel verwenden darf, möchte ich Danke sagen. Seine wunderbare Rezension zu Buch und Hörbuch von „Heimkehren“ findet ihr hier.

Mit Sklaverei verbinden wir automatisch bestimmte Vorstellungen. Wir sehen die Kontinente Afrika und Amerika vor uns, Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe zu einem Leben in Abhängigkeit verdammt wurden und auch noch Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei rein auf ihre Hautfarbe reduziert werden. Traditionen, die den „weißen Eroberern“ unzivilisiert und unverständlich vorkamen, wurden gnadenlos zerstört und deren Ausübung verfolgt. Die wahren Verbrechen geschahen anschließend allerdings genau unter diesem heuchlerischen Deckmantel der Zivilisation.

Rassismus hat viele Formen und einen Ursprung weit vor der Unterscheidung in Schwarze und Weiße. Bereits die afrikanischen Völker unter sich begannen einander zu bekriegen, zu unterjochen, zu versklaven und Menschen in verschiedene Klassen zu unterteilen. Später verbündeten sie sich mit den weißen Siedlern und begaben sich dadurch in eine andere Form der Abhängigkeit. Die Sklaverei, so wie wir sie allgemein kennen, nahm ihren Ursprung.

Ungerechtigkeiten und Verzweiflung stehen an der Tagesordnung. Das vermeintliche Glück Effias wandelt sich rasch in einen harten Weg emotionaler Gefangenschaft und Leid. Träume und Gefühle kollidieren mit der rauen Realität. Effias Sohn hat das große Glück, von seinem weißen Vater protegiert zu werden und eine ordentliche Ausbildung im entfernten England angediehen zu bekommen. Dennoch haftet ihm der Makel des Bastardes und Mischlings ein Leben lang an. Wohin gehört er? Kinder dieser Verbindungen hatten es schwer, ihren eigenen Platz im Leben zu finden. Gefangen zwischen zwei Kulturen und abseits der Gesellschaft.

Die Männer versuchten sich durch Macht und Gewalt ihren Platz zu erkämpfen. Die Frauen fügten sich oder begannen das Leben durch psychologische Beeinflussung nach ihren Wünschen zu gestalten. Die einen gaben auf, die anderen kämpften um das wenige Glück, das ihren Weg kreuzte. Doch oft waren sie der Willkür anderer, den Stammesführern, den weißen Machthabern, den Gesellschaftszwängen schutzlos ausgeliefert. 

Nach Beendigung der Sklaverei, waren die Männer, Frauen und Kinder noch lange nicht frei. Gedankengut kann man nicht wie einen überschüssigen Faden abschneiden. Es ist ein langer Werdegang, der auch heute noch nicht vollständig abgeschlossen ist.
Zwei unterschiedliche Familienstränge, deren Entwicklung nicht differenter sein kann und doch scheinen sich die Lebenswege immer wieder zu kreuzen. Es sind Kleinigkeiten, an denen ein Zusammentreffen scheitert. Auch die Nachkommen von Effia uns Esi werden einander nie kennenlernen und doch tragen sie Gemeinsamkeiten in sich. Am Ende führt alles zurück zu den Wurzeln. Hierfür hat Yaa Gyasi ein sehr passendes und schönes Bild eingebracht. Feuer und Wasser entfalten eine mächtige Symbolkraft.

Mit „Heimkehren“ ist der Autorin ein emphatisches Werk gelungen. Wir erleben eine Identitätsfindung und erkunden die tiefen Gräben in der Denkweise unterschiedlicher Völkergruppen. Dabei erhalten wir immer nur einen kurzen Einblick in das Leben der handelnden Personen. Es sind Blitzlichter des Lebens, die so erhellend sind, als würde man Ihrem Weg von Anfang bis Ende folgen.

Es ist eine Familiengeschichte, die Geschichte des Sklavenhandels, Rassismus, Politik, der gesellschaftlichen und menschlichen Entwicklungen. Berührend, bedrückend und doch mit einem Lichtstreif am Firmament, schafft es die Autorin ihre Leser in den Bann zu ziehen.

Das Elend und Leid in den Schiffsrümpfen sowie Plantagen dringt unter die Haut. Ungerechtigkeiten machen hilflos, da wir nur zusehen können und die Zukunft für uns bereits Vergangenheit ist. Wir kennen den Ausgang der geschichtlichen Entwicklung. Und man möchte wütend aufschreien. Dennoch verbergen sich zwischen den Zeilen auch tiefe, warme Gefühle, die Hoffnung geben.

Beeindruckend ist die Stärke der Frauen unter dem Kleid der Verzweiflung. Der Mut, den das Überleben braucht, die bedingungslose Hingabe für die, die sie lieben.

Die Hörbuchproduktion hat es mit 14 Sprechern geschafft, jeder einzelnen Person eine Individualität einzuhauchen, die man sicher so nicht erlesen kann. Der im Buch sowie im Booklet enthaltende übersichtliche Stammbaum hat es mir ermöglicht, die Fäden zu entwirren und den Lebenssträngen ohne Irritationen folgen zu können. 

Die prägnanten Stimmen der Sprecher haben mich in die Geschichte hineingezogen und ein ganz eigenes Gefühl für die unterschiedlichen Nuancen vermittelt.

Ein Buch, das es vermag, Mauern niederzureißen und Hoffnung zu geben. Absolut empfehlenswert.

Dieser Beitrag wurde unter Rezensionen abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Rezension „Heimkehren“ von Yaa Gyasi (Buch und Hörbuch) – DuMont Buchverlag / Der Audio Verlag

  1. Es war zwar absehbar, dass dies eine Geschichte ist, die für dich geschrieben scheint. Dass sie dich so bewegt und dass du sie so bewegst ist ein wundervolles Erlebnis für mich

  2. Joel sagt:

    Scheint echt super erzählt zu sein! Sehr interessantes Thema meiner Meinung nach, zu dem ich allerdings noch nicht allzu viele Bücher gelesen, sondern eher Filme geguckt habe.Liebe GrüßeJoel von Büchervergleich.org

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert