Rezension „Jahrhundertzeugen“ von Tim Pröse – Heyne Verlag ***Gegen das Vergessen***

Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: Heyne Verlag (31. Oktober 2016)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3453201248
ISBN-13: 978-3453201248
D: 19,99 Euro



Inhalt:

Ob Widerstandskämpfer oder Holocaust-Überlebende – die Lebenswege dieser besonderen Menschen beeindrucken gerade in unserer so unruhigen heutigen Zeit. Denn sich gegen Hitler zu stellen, seine Schreckensherrschaft zu überleben und trotzdem nicht mit dem Schicksal zu hadern, sondern immer wieder aufzustehen, dem Leben positiv und mit einem großen Ja zu begegnen, macht Mut für den Umgang mit Terror und Krieg, Flucht und Vertreibung – Themen, die heute wieder von bedrückender Aktualität sind. Tim Pröse hat einige dieser letzten Zeugen über viele Jahre begleitet und erzählt in 18 eindrucksvollen Porträts von ihrem Leben und ihrer Botschaft: ein Plädoyer der Unangepassten für mehr Toleranz und gegen das Vergessen!

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Der Autor:

Tim Pröse, geboren 1970 in Essen, lebt als Autor und Journalist in München. Nach dem Studium der Kommunikationswissenschaften, Politik und Psychologie war Pröse Chefreporter der Münchner Abendzeitung und schrieb für das „Reportagen“-Ressort des Magazins Focus. Eines seiner einfühlsamen Porträts wurde beim Katholischen Medienpreis ausgezeichnet.

2016 erschien bei Heyne sein Bestseller „Jahrhundertzeugen. Die Botschaft der letzten Helden gegen Hitler. 18 Begegnungen“ (in der 4. Auflage). 2017 dann die Biografie „Hallervorden. Ein Komiker macht Ernst“ im Verlag Hoffmann und Campe (kurz nach Erscheinen unter den Top 50 der Spiegel-Bestsellerliste).

Er hielt Lesungen auf Einladung von Udo Lindenberg (auf dessen „Rockliner“), der „Weißen Rose Stiftung“ in München und der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ in Berlin. Am 13. Januar 2018 trat er zusammen mit Dieter Hallervorden in dessen Berliner Schlosspark Theater auf für eine gemeinsame Lesung.

Kontakt: jahrhundertzeugen@web.de

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Rezension:

Wenn wir zu Hause Ostern oder andere Feste feiern und in die Gesichter unserer Lieben schauen, dann gibt es auf der Welt viele Menschen, denen dies bereits vor Jahrzehnten für immer verwehrt wurde. Menschen, denen die Zukunft, eine Familie und viele Erlebnisse genommen wurden. Tim Pröse gibt diesen Menschen noch einmal eine Stimme.
Dabei sind viele, der in seinem Buch zu Wort kommenden Zeitzeugen, inzwischen bereits verstorben. Es werden immer weniger, die noch aus eigenem Erleben von der Zeit des Holocaust und Naziterrors berichten können.

„Jahrhundertzeugen“ vereint Berichte über bekannte Persönlichkeiten wie den Geschwistern Scholl, Anne Frank, Claus Graf von Stauffenberg oder Oskar Schindler mit Zeitzeugenberichten von Überlebenden. Wir begegnen Menschen, die der Allgemeinheit nicht unbedingt bekannt sind, aber uns so einen erweiterten Blick auf die Ereignisse geben können. So auch Jurek Rotenberg, dem es eine Herzensangelegenheit war, seinem Retter, Berthold Beitz, noch einmal persönlich danken zu können. Eine Begegnung, die beiden Männern sehr viel bedeutete. 

„…Ich habe Deutschland nie gehasst. Ganz im Gegenteil. Auch wenn die Nazis uns gehasst haben, habe ich nie zurückgehasst. Sonst wäre ich doch wie ein Nazi gewesen…“

Tim Pröse zeigt uns die Menschen hinter den Namen und die, die für sie wichtig waren, aber in der Öffentlichkeit kaum Beachtung fanden bzw. in Erscheinung traten. Vergessene Helden einer Zeit, in der es nicht leicht war, den richtigen Weg zu wählen und seinen Idealen zu folgen. Helfer, die ihr eigenes Leben aufs Spiel setzten, um andere vor dem sicheren Tod zu bewahren. Es geht ihm ganz normale Personen, die in einer gefahrvollen Zeit Größe zeigten.

Natürlich kommen viele Erinnerungen nur aus zweiter Hand, wie den Familienmitgliedern oder Freunden der im Naziregime ermordeten Widerstandskämpfer, Juden und Verfolgten. Mutige Menschen, die ihr Leben für eine bessere Zukunft opferten. Menschen die nur durch den Mut und die Opfer anderer überlebten. Aber es geht auch um ganz normale Leute, die von einer Ideologie geblendet, den Parolen Hitlers folgten, von ihren Erlebnissen geprägt, neue Wege gingen und gegen das bestehende Regime kämpften. 

Einige Kapitel des Buches hat der Autor den Widerstandskämpfern der Weißen Rose gewidmet.

Nicht nur die Geschwister Scholl standen für die Weiße Rose. Auch ihren Mitstreitern und Gefährten wir Tim Pröse in diesem Buch gerecht. An dieser Stelle hätte ich mir gewünscht, dass auch Hans Scholl mehr aus dem Schatten seiner Schwester hervorgehoben wird. Seine Person an sich verblasst in fast allen von mir gelesenen Ausführungen hinter dem Bild von Sophie Scholl, was ich sehr traurig finde.
Es geht Tim Pröse nicht darum, den hier genannten Personen einen Heiligenschein aufzusetzen. Sie alle hatten ihre Ecken und Kanten, waren nicht ohne Fehler und doch hat jeder Einzelne von Ihnen dazu beigetragen, die Welt ein Stückchen besser zu machen. 

„…Wenn mir heute einer sagt, dass jemand auf dem Feld der Ehre gefallen sei, dann ist das eine Lüge. Heute, wie damals. Ich weiß, was Diktatur und blinder Gehorsam unter Ausschaltung eigenen Denkens für ein grausames, weltweites Verbrechen nach sich ziehen können…“

Damit nicht noch einmal dieselben Fehler begangen und falschen Wege beschritten werden, ist es wichtig, die Erinnerung wach zu halten. Es ist keine dauernde Sühne, die von uns verlangt wird, es ist ein Aufruf, aus der Geschichte zu lernen und unsere Zukunft entsprechend zu gestalten. Für unsere Kinder und Kindeskinder eine Welt zu schaffen, in der sie ohne Angst leben können.

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