Blogtour #7aufeinenStreich zu „Tausend Teufel“ von Frank Goldammer – Tag 4 – „Kriegsheimkehrer“ – #TausendTeufelTour

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges lief das Leben nicht einfach normal weiter. Es herrschte keine euphorische Stimmung. Dafür waren die Menschen viel zu sehr traumatisiert, andere fühlten sich ihrer Träume oder Ideale beraubt und es begann ein anderer Kampf ums Überleben. Lebensmittel und akzeptabler Wohnraum waren knapp, überall konnte man die Auswirkungen des Krieges spüren. Neben der Existenz- und Überlebensangst schwebte über vielen Familien die Ungewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen. Söhne und Väter galten als verschollen und oft gab es lange Zeit keine Informationen über deren Verbleib. Aber auch die Kriegsgefangenen oder Kriegsheimkehrer wussten nicht, ob ihre Familienangehörigen noch am Leben waren. 

„Eine der größten Herausforderungen war die Ungewissheit.“

Zwischen 1941 und 1945 befanden sich nach Schätzungen allein rund drei Millionen von österreichischen und deutschen Soldaten in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Viele, die das Grauen des Krieges überlebten, überstanden die Strapazen der Lager nicht. Die letzten Heimkehrer kamen in Mai 1950 in ihre Heimat zurück. 

Doch was erwartete die Männer in ihrem ehemaligen Zuhause? 
Gerade in Dresden waren nach der großen Bombardierung viele Wohnhäuser zerstört. Ganze Straßenzüge existierten nicht mehr und die Heimkehrer wurden oftmals mit dem Verlust ihrer Familien konfrontiert. Erste Hoffnungen starben. Sie wurden in Notunterkünften untergebracht und standen mit nichts, als den Kleidern auf ihrem Leib vor einer ungewissen Zukunft.

Wer das Glück hatte, Angehörige oder sogar die ehemalige Wohnung heil wiederzufinden, hatte nun mit gänzlich anderen Problemen zu kämpfen. Kinder erkannten in den ausgemergelten, verhärmten Männern ihre Väter oder Brüder nicht mehr, Ehepartner waren sich fremd geworden. Für viele bedeutete diese Phase ein erneutes Kennenlernen. Sie mussten lernen, miteinander zu leben und meist auch auf der Gefühlsebene einen neuen Zugang zueinander finden. Die Beziehungen innerhalb der Familien mussten neu geknüpft und gefestigt werden. Dabei hatten beide Seiten mit der Verarbeitung ihrer Kriegserlebnisse zu kämpfen. Oft wurde über diese Zeit geschwiegen und die Probleme arteten in Streitigkeiten und Gewalt aus. Nicht wenige Beziehungen zerbrachen daran.

„Ein Mann kommt nach Deutschland“
 – Kriegsheimkehrer im Gespräch
mit Renate Rössing, Leipzig 1950,
Foto von Roger Rössing
Quelle: Wikipedia

Die Kriegsheimkehrer hatten mit physischen und vor allem psychischen Problemen zu kämpfen. Posttraumatische Belastungsstörungen waren damals noch völlig unerforscht und wurden dementsprechend auch nicht behandelt. Viele fanden sich in ihrem Leben nicht mehr zurecht. Traumatisiert und gezeichnet von Krankheiten, konnten sie den Erwartungen ihrer Familie nicht gerecht werden. Statt der erwarteten Unterstützung, waren viele eher eine zusätzliche Belastung. Aus Verzweiflung, aufgrund von Depressionen, Schmerzen und Perspektivlosigkeit gaben diese Menschen den Kampf zu leben auf. Nicht selten kam es in diesen Zeiten zu Suiziden.

Auch waren nach Kriegsende bei weitem nicht alle Kriegsheimkehrer vom nazistischen Gedankengut befreit. Sie konnten sich mit der Niederlage und den neuen Machthabern nicht anfreunden. Offene Feindseligkeiten waren ebenso verbreitet, wie die Angst vor den Besatzern. Andere wiederum hatten bereits zu Beginn des Krieges so viele Gräueltaten mit ansehen müssen, dass sie diese Erlebnisse nicht verarbeiten konnten und zeitlebens unter Alpträumen litten. Den wenigsten gelang es, über ihre Empfindungen zu sprechen.
Hinzu kam, dass ein Großteil der Soldaten für Jahre als verschollen galt und ihre Frauen nicht mehr mit dem Überleben des Partners rechneten. In einer Zeit, in der die Menschen aber aufeinander angewiesen waren, Schutz und Hilfe suchten, bildeten sich auch neue Verbindungen. Die Kriegsheimkehrer fanden zu Hause ihre Frauen mit einem neuen Partner oder sogar Kindern vor. Der für die meisten einzige Halt, die Tortouren des Krieges und der Lager zu überleben, brach in sich zusammen. Zusätzlich zu der Verarbeitung der Kriegsgeschehen mussten sie sich nun neuen psychischen Belastungen stellen.
Frank Goldammer hat diesen Passus in „Tausend Teufel“ sehr realistisch eingearbeitet und lässt die Leser spüren, was die Menschen zu dieser Zeit bewegte. Einfühlsam, aber ohne Pathos ist man ganz nah am Geschehen und erhält so einen tiefgehenden Eindruck der Lebensumstände in den ersten Nachkriegsjahren.
In Filmen sehen wir nur die Heile-Welt-Fantasie, die wir uns wünschen. Die Männer kommen aus dem Krieg, werden mit offenen Armen freudestrahlend empfangen und das Leben setzt dort erneut an, wo es vor dem Krieg aufgehört hat. Leider sieht die Realität gänzlich anders aus. Damals wie auch heute prägen diese Erlebnisse die Betroffenen und zeigen noch lange ihre Auswirkungen.
Auch ich durfte Frank Goldammer eine Frage stellen:

Lieber Frank,
mittlerweile schreibst du am vierten Heller-Band. Wie hat sich dein Schreiben im Laufe der Zeit verändert? Welche Veränderungen haben sich durch die neuen zeitlichen Handlungsstränge in der Recherchearbeit z. B. Zeitzeugengespräche ergeben?

Seine Antwort:
Mein Schreiben verändert sich nicht, höchstens werde ich schneller. Einzig dass ich jetzt ein richtiges Konzept entwickele für jeden Roman, und dass ich mich zu 90% daran halte, hat sich geändert, früher habe ich es gern einfach mal laufen lassen. Die Recherche gehört mit dazu, doch sie verändert nichts am Schreibverhalten.

Bis einschließlich Dienstag, 21. November 2017, könnt ihr bei unserer Blog-Tour-Verlosung mitmachen.

Beantwortet die Frage zu jedem Tagesbeitrag der #TausendTeufelTour bzw. hinterlasst einen Kommentar, wenn es keine Frage zu beantworten gibt. Nur wenn ihr alle sieben Beiträge kommentiert habt, kommt euer Los in den Lostopf.

Eine Übersicht mit der Verlinkung aller aktuellen Beiträge findet ihr HIER

Gewinnen könnt ihr mit ein bisschen Glück ein signiertes Exemplar von Frank Goldammers „Tausend Teufel“!

Meine Frage des Tages, die es per Kommentar zu beantworten gilt, lautet:

Kennt ihr Zeitzeugen, die sich noch an die Jahre nach Kriegsende erinnern bzw. gibt/gab es Kriegsheimkehrer in eurer Familie und wie erlebten sie diese Zeit?


Ich bin gespannt auf eure Kommentare und drücke jedem ganz fest die Daumen für die Auslosung.

Update:

Für alle, die uns nicht über Facebook folgen. Gewonnen hat:

Jutta

Herzlichen Glückwunsch! 

Teilnahmebedingungen
  • Die Teilnahme an dem Gewinnspiel ist ab einem Alter von 18 Jahren möglich. Falls Du unter 18 Jahre alt sein solltest, ist eine Teilnahme nur mit Erlaubnis des Erziehungs-/Sorgeberechtigten möglich.
  • Der Versand erfolgt nur innerhalb Deutschland, wobei der Rechtsweg hier ausgeschlossen ist. Für den Postversand wird keinerlei Haftung übernommen.
  • Eine Barauszahlung des Gewinns ist leider nicht möglich.
  • Als Teilnehmer erklärt man sich einverstanden, dass im Gewinnfall der Gewinner öffentlich auf dem Blog genannt werden darf. 
  • Jede teilnahmeberechtigte Person darf einmal an dem Gewinnspiel teilnehmen. Mehrfachbewerbungen durch verschiedene Vornamen, Nachnamen, Emailadressen oder einem Pseudonym sind unzulässig und werden bei der Auslosung ausgeschlossen.
  • Nur wer bei jedem Blogtourbeitrag die Tagesfrage beantwortet, bekommt ein Los für die Auslosung.
  • Das Gewinnspiel wird von Facebook nicht unterstützt und steht in keiner Verbindung zu Facebook.
  • Das Gewinnspiel endet am 21.11.2017 um 23:59 Uhr.
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7 Antworten zu Blogtour #7aufeinenStreich zu „Tausend Teufel“ von Frank Goldammer – Tag 4 – „Kriegsheimkehrer“ – #TausendTeufelTour

  1. Anonym sagt:

    Was ein nachdenklich machender und tiefgehender Post, liebe Anja!LiebstBine

  2. Zwiebelchen sagt:

    Dankeschön liebe Bine für das Feedback <3

  3. karin sagt:

    Hallo und guten Tag, da der Vater meines Stiefvater nicht aus dem Krieg zurück kam…stand die Mutter plötzlich mit zwei Kleinkindern alleine…mein Stiefvater war am Ende des Kriegs gerade mal 10 Jahre alt und konnte sich an dieser Zeit sehr gut erinnern. Plötzlich war mein Stiefvater, der Mann im Haus, weil sein kleiner Bruder noch ein Baby warWenn Züge mit Kohle durch die Gegend gefahren sind, sprach sich das schnell rum und man ging zum Sammeln, überhaupt wurde viel gesammelt…Bucheckern z.B. daraus wurde Mehl oder auch Kaffee gemacht oder es zumindest versucht. Kartoffelfelder wurden nach der letzten Kartoffel abgesucht. Oder man versuche beim Bauern etwas ein zutauschen….LG..Karin..

  4. Jutta.liest sagt:

    Hallo,ich habe aus der Verwandschaft einige, die sich noch gut an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erinnerten. Ein mittlerweile verstorbener Großonkel war jahrelang noch in russischer Gefangenschaft. Er hat aber nie viel über diese Zeit erzählt. Meine Oma auch nicht. Ich hatte eher das Gefühl, dass versucht wurde, die entbehrungsreiche Zeit zu vergessen. Aber manchmal gab es dann doch kleine Geschichten über "kreatives" Kochen oder den Kohlenklau, den immer die Kinder gemacht haben, weil sie flinker waren und nicht so schnell bestraft wurden. Eine Zeit, über die ich froh bin, sie nicht erlebt zu haben.Liebe Grüße, Jutta

  5. Hallo,mein Opa ist aus der Gefangenschaft zurückgekehrt. Über den Krieg hat er nie gesprochen. Meine Mutter musste aus Stettin flüchten, sie war da 7 Jahre alt. Sie spricht auch nicht über ihre Erlebnisse. Sie hat aber auch ihre Mutter verloren auf der Flucht und wurde dann von meiner "Oma" adoptiert. Ich glaube, alle wollten die Erlebnisse vergessen.Liebe GrüßeBiggi

  6. dasSchugga sagt:

    Ältere Verwandte habe ich nicht mehr. Meine damalige Nachbarin aus Kindheitstagen war bereits etwas älter und kannte sich entsprechend mit Weltkrieg(en) aus. Zum Thema Drittes Reich hatte sie sich eine Antwort zurechtgelegt, welche zwar erstmal humorvoll klingt, jedoch einen bitterbösen Nachgeschmack mit sich bringt: "Hitler hatte uns einen schönen, blauen Himmel versprochen – und den hatten wir hinterher auch über unseren Köpfen!" Soll heißen, viele hatten kein Dach über dem Kopf mehr.

  7. PMelittaM sagt:

    Nun, ich bin schon etwas älter, meine Großeltern und meine Eltern (als Kinder) erlebten den letzten Weltkrieg. Meine Mutter erzählte viel aus der Zeit, auch von Bombennächten und ähnlich Schlimmem. Einer meiner Großväter hatte eine Schußwunde in der Schulter, die man zeit seines Lebens noch sehen konnte. Ein Großonkel von mir verlor ein Bein, eine Großtante wurde ein Opfer der Euthanasie. Ich kann mich auch noch an Kriegsversehrte erinnern, z. B. fuhr im Bus oft ein Mann mit, der ein Bein verloren hatte und nicht, wie mein Großonkel, stattdessen ein Holzbein hatte. Es war eine schlimme Zeit und ich hoffe, so etwas nie erleben zu müssen und hoffe auch, dass meine Kinder davon verschont bleiben …

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