Rezension „Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben werden“ von Emily Barr – FISCHER FJB

Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
Verlag: FISCHER FJB; Auflage: 1 (23. März 2017)
Sprache: Deutsch
übersetzt von Maria Poets
ISBN-10: 384144007X
ISBN-13: 978-3841440075
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 14 Jahren
D: 16,99 Euro

Inhalt:

Sie hat kein Gedächtnis und nur eine Erinnerung: und dafür geht sie bis ans Ende der Welt.

Ein außergewöhnlicher Coming-of-Age-Roman, den man so schnell nicht mehr vergessen wird. Emily Barrs ›Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben werden‹ ist die Geschichte eines Mädchens, das für einen Kuss bis an den Nordpol reist und durch Briefe aus Paris die kleinen bunten Wunder des Lebens entdeckt. Ungewöhnlich berührend und bezaubernd erzählt!

„Ich schaue auf meine Hand. Dort steht Flora, das bin ich. Die Buchstaben auf dem Handrücken bilden meinen Namen. Ich halte mich daran fest. Ich bin Flora. Darunter steht: Sei mutig! Ich schließe meine Augen und hole tief Luft. Ich weiß nicht, warum ich hier bin, aber alles wird gut.“

Flora Banks Leben ist wie ein tausendteiliges Puzzle in allen Farben des Regenbogens. Jeden Tag muss sie es erneut zusammensetzen. Sie muss sich daran erinnern, wer sie ist und was los ist. Manchmal stündlich. Nichts, was seit ihrem 10. Geburtstag passiert ist, bleibt ihr im Gedächtnis. Doch auf einmal ist da diese eine Erinnerung in ihrem Kopf. Und sie bleibt, verschwindet nicht wie die anderen Details aus ihrem Leben. Es ist die Erinnerung daran, wie sie nachts am Strand einen Jungen geküsst hat. Bewaffnet mit Handy, Briefen von ihrem Bruder aus Paris, einem prallgefüllten Notizbuch und tausenden von Zettelchen macht sich Flora Banks auf eine Reise, die sie letztendlich zu sich selbst führt. Denn zum ersten Mal in ihrem Leben kann sie jetzt entscheiden, wer sie wirklich sein will.

Quelle: Amazon

Die Autorin:

Emily Barr arbeitete lange Zeit begeistert in einer trubeligen Zeitungsredaktion. Manchmal sehnte sie sich jedoch nach einer stillen Ecke, um die Geschichten aufschreiben zu können, die ihr im Kopf rumspukten. Schon als Kind hatte sie nachts immer ihren Vater gehört, der auf seiner alten Schreibmaschine Romane schrieb. Emily lernte dadurch, dass man seine Träume verwirklichen kann, wenn man es nur will. Also begann sie selbst mit ihrem ersten Buch. Mittlerweile hat Emily einige Bücher veröffentlicht. ›Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben sein‹ ist ihr YA-Debüt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Cornwall, England.

Quelle: Amazon

Rezension:

Unser Gehirn und damit einhergehend unser
Erinnerungsvermögen sind schon eine komplizierte, eigenartige Konstruktion.
Werden Teilbereiche des Gehirns verletzt, hat dies oft unkalkulierbare Folgen
und ist in der Regel irreparabel. Unser Gedächtnis wird von Regionen im Gehirn
gesteuert. Manchmal wünschen wir uns, Frieden im Vergessen zu finden und nach
einem schockierenden Erlebnis tritt ja auch immer wieder eine Art
Schutzmechanismus in Kraft, der Erinnerungen verdrängt oder in ein tiefes
schwarzes Loch fallen lässt.
Aber Erinnerungen sind wichtig. 
Sie warnen uns vor Gefahren,
bescheren uns in Momenten von Angst und Leid einen warmen Augenblick, spenden
Trost…
Gerüche, Geräusche, der Geschmack von Speisen oder eine
bestimmte Geste lösen in der Regel Erinnerungen aus. Wir verbinden damit
Erlebnisse und Gefühle. Diese wiederum bestimmen unser Leben und Handeln.
Doch was passiert, wenn wir unsere Erinnerungen nicht
bewahren können? Ein Moment, ein Erlebnis, nur einen flüchtiger Hauch im Leben
darstellt? Wie verändern wir uns? Was passiert mit der Psyche eines Menschen?
Wie lässt sich ein Alltag ohne Erinnerungen bewältigen?
Ich finde dieses Thema ungemein spannend und daher war
„Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben werden“ wie für mich geschrieben. Die
Autorin hat mich auch nicht enttäuscht und ein unterhaltsames, nachdenklich stimmendes Buch geschaffen, das zu Herzen geht.
Floras Erinnerungen existieren nur bis zu ihrem zehnten
Lebensjahr. Danach veränderte sich für sie und ihre Familie die Welt.
Erlebnisse, die danach ihr Leben prägten existieren für sie nur noch, wenn sie
diese direkt schriftlich festgehalten und nachgelesen hat. Notizbücher und
Stifte
sind daher ihre wichtigsten Wegbegleiter und manchmal lebensrettend.
Erinnerungen sind für sie nur noch wie Schilderungen aus
zweiter Hand. Menschen, die sie nach ihrem zehnten Lebensjahr  kennengelernt hat, sind nur wenige Stunden
später wieder unbekannte Fremde. Aber Flora hat einen Leitspruch:
Flora. Sei mutig!
Auch hierzu gibt es eine eigene Geschichte, die am Ende sehr
berührt.
Es schafft extreme Gänsehaut, wenn ich darüber nachdenke,
wie manipulierbar Flora durch ihre Krankheit ist.
Sie wacht jeden Morgen als Zehnjährige im Körper einer
fremden Frau auf, denn inzwischen ist Flora siebzehn. Jeden Tag muss sie
sich mit vielen Hilfsmitteln und Tricks ihr Leben neu erschaffen, es neu
kennenlernen. 
Ihr Leben plätschert in einer Art Alltagstrott dahin, bis, ja bis
zu diesem gestohlenen Kuss am Stand. Diese eine Wahrnehmung und alles, was
damit verbunden war, bleiben in ihrem Gedächtnis haften. Die Ereignisse und
Gefühle sind auf einmal jederzeit abrufbar. 
Genau zu diesem Zeitpunkt fangen
sich die Ereignisse an zu überschlagen. Ihre Eltern verheimlichen etwas, doch
der rote Faden ihrer Gedanken verliert sich immer wieder im nirgendwo, ihr
Bruder liegt im Sterben und mit ihrer einzigen Freundin hat sie sich überworfen.
Plötzlich befindet sie erstmals allein zu Hause und ist zum ersten Mal völlig auf sich allein gestellt. 
All ihre Gedanken kreisen um
diese einzige Erinnerung, die sich in ihrem Kopf festgesetzt hat. Die hervorgerufenen
Gefühle sind dermaßen stark, dass Flora über sich hinaus wächst. Sie macht sich
auf nach Norwegen und auf die Suche nach dem Jungen, der ihr diese Erinnerung
geschenkt hat. Ab hier beginnt ein spannendes Abenteuer. Glaubt mir, so eine
Reise ist für ein Mädchen wie Flora eine schier unlösbare Herausforderung.
Flora. Sei mutig!
Einen einzigen Kritikpunkt habe ich. Flora besucht ganz
normal die Schule und macht ihren Abschluss. Wie das funktionieren kann, hat
sich mir in der Geschichte nicht erschlossen, ist allerdings für die
eigentliche Handlung auch relativ unrelevant. Dieses Detail wird im Buch
einfach übergangen. Ich habe mir beim Lesen selbst keine Gedanken darüber
gemacht. Die Frage kam erst im Rückblick auf die vielen Ereignisse auf. Es gibt so viele Dinge, die mich weit nach dem Ende der Geschichte noch beschäftigen und bewegen.


Floras Geschichte hat mich fasziniert. Sie zeigt auf, was
wir alles bewältigen können, wenn wir es nur wirklich wollen. Wir sehen hier
aber auch, wie einengend Schuldgefühle und Liebe sein können und uns auf
falsche Wege führen. Wer „50 erste Dates“ mag, wird sich auch mit Flora sehr
wohl fühlen. Wer sich auf „Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben werden“
einlässt, sollte sich bewusst sein, dass es im Buch sehr viele Wiederholungen
gibt. So erleben wir als Leser Floras Welt hautnah mit und gewinnen ein Gefühl
für ihre Sicht aufs Leben.  

All diejenigen, die gern vorab einen Blick auf das Ende
eines Buches werfen. Bitte lest Jacobs Brief wirklich erst zum Schluss. Noch
mehr als alles andere hat dieser mich mitten ins Herz getroffen und ich gebe
zu, die Taschentuchbox habe ich dann auch gebraucht. Richtig verinnerlichen
kann man seine Worte aber nur, wenn man Floras Geschichte bis zu diesem Punkt verfolgt hat.

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